Volker Wieland, Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Der scheidende «Wirtschaftweise» Volker Wieland drängt die Europäische Zentralbank (EZB) angesichts der Rekordinflation zum Handeln.

«Fakt ist, dass die Inflation weit über das Ziel hinaus angestiegen ist. Die EZB hat viel zu lange gewartet», sagte der Frankfurter Ökonom in einem am Freitag vorab veröffentlichen Interview der «Börsen-Zeitung» (Samstag). «Im Euroraum gibt es längst einen breiteren Inflationsanstieg. Die Geldpolitik ist aber immer noch völlig auf Stimulierung der Wirtschaft ausgerichtet», kritisierte Wieland, der Ende April vorzeitig den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung («Wirtschaftsweise») verlässt.

Nach jüngsten Aussagen von EZB-Präsidentin Christine Lagarde könnte die Notenbank ihre milliardenschweren Nettoankäufe von Wertpapieren im Juli dieses Jahres beenden. Das sei dann der Zeitpunkt, «sich die Zinsen und eine Erhöhung dieser Zinsen anzuschauen», sagte Lagarde vor wenigen Tagen in Hamburg.

Wird Leitzins im Euroraum angehoben?

An den Finanzmärkten wird erwartet, dass die EZB den Einlagensatz, zu dem Banken Geld bei ihr parken können, in diesem Jahr von minus 0,5 Prozent auf null Prozent anheben könnte. Der Leitzins im Euroraum, der seit mehr als sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent liegt, könnte dann 2023 angehoben werden.

Die EZB sollte «rasch ihre Anleihekäufe komplett einstellen und mit Zinserhöhungen beginnen», forderte Wieland. Die EZB sollte sich nach seiner Ansicht die US-Notenbank Fed zum Vorbild nehmen: «Die Fed hat die Inflation zwar auch zu lange verharmlost. Aber jetzt steuert sie entschlossener dagegen. Das ist absolut notwendig.»

Im Euroraum kletterte die Inflation im April auf das Rekordhoch von 7,5 Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag anhand einer Schätzung mitteilte. Für Europas größte Volkswirtschaft Deutschland hat das Statistische Bundesamt für den April auf Grundlage erster Daten eine Steigerung der Verbraucherpreise um 7,4 Prozent errechnet.

Die Inflation in Deutschland werde «noch auf absehbare Zeit sehr hoch sein», prognostizierte Wieland. Sollte es zu einem Gaslieferstopp und einer Energiekrise kommen, seien «auch zweistellige Inflationsraten nicht auszuschließen». Wieland betonte: «Umso wichtiger ist, dass die EZB endlich entschlossener handelt. Es ist für mich unverständlich, warum sie bei Inflationsraten von sieben Prozent und mehr an Null- und Negativzinsen festhält.»

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