Nina Gummich als Alice Schwarzer in einer Szene aus «Alice». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Alexander Fischerkoesen/rbb/ARD/dpa)

Als Nina Gummich vor einiger Zeit für den Krimi «Theresa Wolff 3» vor der Kamera stand, kam irgendwann die Maskenbildnerin zu ihr und flüsterte ihr zu: «Nina, Achtung, du guckst immer noch wie Alice!» Die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hatte sie davor für den ARD-Spielfilm «Alice» gespielt.

Gummich (31) sieht der jungen Schwarzer in der Verfilmung nicht nur täuschend ähnlich, sie verkörpert das Vorbild auch im Sprechen und in den Bewegungen sehr überzeugend, ohne je in die Parodie abzugleiten.

«Ich wollte ihren Kern erfassen, und das funktioniert eben nicht, indem man äußerlich ihre Blicke nachmacht oder ihre Gesten kopiert», erläutert die gebürtige Leipzigerin der Deutschen Presse-Agentur. «Ich habe also geschaut, was macht es mit der ganzen Körperhaltung und auch mit meiner Stimmung, wenn ich auf diese bestimmte Art und Weise schaue oder spreche, und dann hab ich es verinnerlicht und es wurde zum Selbstläufer.»

Zudem habe sie sich während der Dreharbeiten immer wieder mit Alice Schwarzer getroffen, um sie auszuquetschen und zu beobachten. Schwarzer, die am 3. Dezember 80 Jahre alt wird, bestätigt das der dpa: «Nina hat mich ständig kontaktiert und gefragt: „Was hast du in der und der Situation damals gedacht?“ Ich habe dann immer versucht, das möglichst genau zu beantworten.»

Der Film unter der Regie von Nicole Weegmann, der am 30. November ab 20.15 Uhr im Esten gezeigt wird, erzählt Schwarzers Weg vom 21 Jahre alten Au-Pair-Mädchen in Paris bis zur Gründung ihres feministischen Magazins «Emma» 1977 in Köln. Meilensteine sind 1971 die Initiierung des Bekenntnisses «Wir haben abgetrieben» auf der Titelseite des «Stern» und 1975 ein TV-Streitgespräch mit Esther Vilar, der Autorin des Bestsellers «Der dressierte Mann». Diese Dreiviertelstunde im Nachmittagsprogramm machte Schwarzer auf einen Schlag berühmt.

Gummichs Sicht auf Schwarzer hat sich durch die Arbeit an dem Film verändert. «Als ich historische Aufnahmen gesehen habe, war ich überrascht von der Zartheit, Melancholie und diesem Hauch von Paris, der von ihr ausgeht. Es gibt noch etwas, was ich so nicht erwartet habe: Alice Schwarzer hat eine sehr kindliche Seite, sie ist spielerisch und mitfühlend, frech und neugierig. Diese Eigenschaften im Alter nicht zu verlieren, halte ich für besonders wertvoll und ungewöhnlich.»

Immer mal wieder wird Schwarzer der Vorwurf gemacht, autoritär aufzutreten. Gummich hat dazu während des Drehs eine besondere Erfahrung gemacht: «Es gibt eine Szene in Teil 2, da rufe ich Berliner Frauen dazu auf, Texte zu liefern für ein Buch, das ich dem Rowohlt Verlag dann vorstellen will. Die Frauen kommen nach Paris, und wir haben eine gute Zeit – schreiben, diskutieren, rauchen, saufen, knutschen – was man eben so macht, wenn man die Welt gerade neu erfindet.»

Am Ende liest sie als Alice Schwarzer die Texte der anderen Frauen vor und flippt total aus, weil sie sie so schlecht findet. Die Frauen reagieren darauf verletzt und reisen ab. «Ich selbst habe beim Spielen überhaupt nicht verstanden, wie das gerade passieren konnte. Ich war innerlich total offen dafür, weiter sachlich zu diskutieren und die Texte eventuell umzuschreiben oder so etwas», erzählt Gummich. «Alle Umstehenden am Set haben mir dann gespiegelt, wie autoritär es rüberkam und fanden es spielerisch super.»

Daraus folgert sie: «Alice kann auf der Sachebene vollkommen abwerten und danach sofort einen Kaffee mit dir trinken.»

Von Christoph Driessen, dpa

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