In Betrieben nehmen Personalengpässe nach einem Report des Deutschen Industrie- und Handelskammertags zu. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Julian Stratenschulte/dpa)

Personalengpässe in Unternehmen nehmen aus Sicht der deutschen Wirtschaft zu – und der Fachkräftemangel dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen.

Es werde für Firmen immer mühsamer, sich dagegen zu stemmen, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Achim Dercks, am Montag in Berlin.

Der DIHK spricht in einem Report von gravierenden Folgen. Das gelte für die betroffenen Unternehmen, aber auch für die Volkswirtschaft als Ganzes: «Es stehen Wachstums- und Wohlfahrtspotenziale ebenso wie öffentliche Einnahmen auf dem Spiel, wenn Personalknappheiten die an sich mögliche Produktion und das Dienstleistungsangebot beschränken.»

Hälfte der Firmen können Stellen nicht besetzen

Nach dem Report, der auf Antworten von rund 23.000 Unternehmen basiert, ist der Fachkräftemangel für die Firmen das derzeit größte Geschäftsrisiko. 51 Prozent der Firmen können demnach Stellen zumindest teilweise nicht besetzen, weil sie keine passenden Arbeitskräfte finden. Vor der Pandemie hatten dies 47 Prozent gesagt. Dercks sagte, der Fachkräftemangel sei schneller und in einem größeren Umfang zurück als von vielen erwartet – obwohl die Wirtschaft noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen habe.

Die größten Lücken bei qualifiziertem Personal gebe es in der Bauwirtschaft, der Gesundheitswirtschaft sowie im Maschinenbau. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hatte vor kurzem gesagt: «Die Fachkräfte werden das Hauptthema werden.»

Bei der Gewerkschaft IG Metall hieß es: «Wir beobachten durchaus einen steigenden Fachkräftebedarf und einen ausgeprägten Wettbewerb um Spezialisten aus dem IT- und Softwarebereich. Von einem bundesweiten, die ganze Branche betreffenden Fachkräftemangel würden wir aber nicht sprechen.» Echte Schwierigkeiten, Fachkräfte zu gewinnen, hätten vor allem kleine und mittlere Unternehmen beispielsweise im Maschinenbau mit Sitz im ländlichen Raum oder in als wenig attraktiv wahrgenommenen Mittelzentren.

Zukünftige Entwicklung

Die demografische Entwicklung bedeutet laut Report konkret: Es gehen pro Jahr rund 350.000 Beschäftigte mehr in Rente als junge Leute ins Berufsleben eintreten – Tendenz steigend.

Insgesamt erwarten 85 Prozent der Unternehmen negative Auswirkungen vom wachsenden Fachkräftemangel. 43 Prozent der Firmen rechnen damit, dass sie Aufträge verlieren oder ablehnen oder ihr Angebot reduzieren müssen, wenn nötiges Personal fehlt.

Mögliche Auswirkungen

Konkret bedeutet das zum Beispiel: Fehlen IT-Experten, kann das Mittelständler betreffen, die eigentlich Geschäftsprozesse digitalisieren möchten. Fehlen Lkw-Fahrer oder Beschäftigte im Logistikbereich, könnten laut DIHK industrielle Produktionsprozesse ins Stocken geraten, wenn nötige Vorprodukte nicht rechtzeitig geliefert werden. Außerdem könnte es Probleme bei der Belieferung des Einzelhandels geben – Regale blieben im Zweifel leer.

Gastronomie und Handel könnten zum Teil gezwungen sein, Öffnungszeiten zu verkürzen, zusätzliche Ruhetage einzuführen oder Serviceleistungen zu reduzieren: «Das birgt die Gefahr, dass deren Angebote aus Kundensicht, aber auch ganze Regionen an Attraktivität verlieren.»

Auch die Anstrengungen für mehr Klimaschutz könnten den Angaben nach ausgebremst oder verzögert werden. Denn nur mit spezialisierten Handwerkern können zum Beispiel Häuser und Wohnungen energetisch saniert werden.

Für die bereits in Betrieben arbeitenden Beschäftigten hat ein Mangel an Fachkräften ebenfalls Folgen, wie es in dem Report heißt: Viele Firmen erwarteten eine Mehrbelastung der Belegschaften – damit Aufträge abgearbeitet, Lieferfristen eingehalten oder Geschäftszeiten aufrechterhalten werden können. Um auf Engpässe zu reagieren, soll vor allem im Handel, am Bau und in der Industrie mehr ausgebildet werden.

Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

«Fachkräftemangel begegnet man mittel- und langfristig am besten, indem man die Fachkräfte selber ausbildet und sie nach Abschluss der Ausbildung übernimmt», so die IG Metall. «Es ist gut, dass dies zumindest ein Teil der Unternehmen erkannt zu haben scheint, die Bemühungen müssen sich hier aber deutlich intensivieren.» DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte, seit Jahren berichte der DIHK von einem steigendem Fachkräftemangel. Zugleich aber werde ausbildungswilligen Jugendlichen der Einstieg in Ausbildung und Arbeit schwer gemacht. Auch die Weiterbildung habe in vielen Betrieben noch nicht genug Fahrt aufgenommen.

Eine weitere Maßnahmen laut DIHK: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Gerade bei der Beschäftigung von Frauen bestehe in Deutschland noch Potenzial, heißt es im Report. Etwa die Hälfte der Frauen arbeite in Teilzeit.

Die Firmen müssten stärker auf die Bedürfnisse der umworbenen Fachkräfte eingehen, erklärte die IG Metall: «Starre Strukturen und Hierarchien aufbrechen, mehr Gestaltungsfreiheit und eigenverantwortliches Arbeiten ermöglichen, Vereinbarkeit von Arbeit und Leben fördern, ein konkurrenzfähiges Gehaltsniveau bieten – das alles abgesichert durch einen Tarifvertrag.»

Dazu kommt mehr Zuwanderung aus dem Ausland: Mehr als jedes dritte Unternehmen plant dies laut Report. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz seien zwar Möglichkeiten geschaffen worden, um die Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten zu erleichtern. Das Gesetz müsse aber noch seinen Praxistest bestehen. Dercks sagte außerdem, die berufliche Bildung müsse gestärkt werden. Berufsschulen würden ein «stiefmütterliches Dasein» führen.

Von Andreas Hoenig, dpa

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