Das Kernkraftwerk Brokdorf ist von einem Zaun und Wassergraben umgeben (Strahleneffekt durch lange Belichtungszeit). Nach knapp 35 Jahren Betriebszeit wird das Atomkraftwerk von Betreiber Preussen Elektra Ende 2021 abgeschaltet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christian Charisius/dpa)

Die EU hat konkrete Kriterien für klimafreundliche Investitionen festgelegt. In der Nacht zum Donnerstag wurde ein Rechtsakt angenommen, der Details der sogenannten Taxonomie regelt.

Die EU-Staaten ließen um Mitternacht eine Frist verstreichen, um ihn abzulehnen. Darin werden etwa Kriterien für umweltfreundliche Bioenergie, Wasserkraft oder Forstwirtschaft festgelegt. Ob Gas und Atomkraft sowie bestimmte landwirtschaftliche Aktivitäten klimafreundlich sein können, wird allerdings noch nicht festgelegt. Dafür will die EU-Kommission bis Ende des Jahres einen weiteren Rechtsakt vorlegen.

Die Taxonomie ist umstritten, da sie Weichen für große Finanzströme stellt. Sie definiert, welche Bereiche der Wirtschaft klimafreundlich sind. Bürger und Investoren sollen so klare Informationen über nachhaltige Finanzprodukte erhalten – das soll dabei helfen, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisieren.

Erster Schritt

Mit dem Rechtsakt ist nun ein erster Schritt zu konkreten Kriterien getan. Unter anderem wird für Investitionen in Energieinfrastruktur ein Schwellenwert für Kohlendioxid-Emissionen von 100 Gramm pro Kilowattstunde festgelegt. Stromproduktion mit Solarpaneelen, Wasserkraft oder Windkraft wird so als klimafreundlich gewertet. Auch der Transport per Bahn steht auf der Liste. Die Regeln treten am 1. Januar in Kraft.

Die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte, die Vorgaben für Bioenergie und Forstwirtschaft seien nicht streng genug. Besonders kontrovers ist, ob Atomkraft und Gas als nachhaltig gelten können. Seit Monaten streiten die EU-Länder darüber. Frankreich will zusammen mit Ländern wie Polen und Tschechien die Atomkraft um jeden Preis als «grün» kennzeichnen. Länder wie Deutschland, Luxemburg oder Österreich sind strikt dagegen.

Allerdings gibt es etwa in Deutschland eine starke Lobby dafür, Gas in die Taxonomie aufzunehmen. Das könnte etwa über eine Ausnahme vom CO2-Schwellenwert für neue Gaskraftwerke geschehen. Inzwischen gilt es als wahrscheinlich, dass bestimmte Gas- und Atomkraftwerke zumindest vorübergehend in der Taxonomie gelistet werden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte zuletzt, die EU brauche neben erneuerbaren Energien auch Atomkraft als stabile Energiequelle und Gas als Übergangsquelle.

Atomkraft und Gas nicht nachhaltig

Der Europaabgeordnete und künftige Staatssekretär der Grünen, Sven Giegold, sagte, Atomkraft und Gas seien nicht nachhaltig. Man müsse aber einen Kompromiss finden, der die Hoheit der Mitgliedstaaten für ihren Energiemix achte und gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der Taxonomie nicht beschädige.

Umweltorganisationen wie Greenpeace und WWF warnen davor, Gas und Atomkraft als umweltfreundlich darzustellen – Gas wegen der CO2-Emissionen und Atomkraft wegen des radioaktiven Mülls. Das würde wissenschaftlichen Kriterien wiedersprechen, die sich die EU-Kommission bereits auferlegt habe, sagte Mathilde Crêpy von der Organisation Ecos, die bei der Entwicklung der Taxonomie mitwirkte.

Sebastien Godinot vom WWF sagte, es würde die Glaubwürdigkeit der Taxonomie ruinieren, da existierende Regeln für klimafreundliche Anleihen auf dem Finanzmarkt bereits strenger seien. «Es würde den Anspruch der EU auf eine Führungsrolle bei nachhaltigen Finanzen zerstören.» Der Verband der Autoindustrie forderte eine unbürokratische Umsetzung der Taxonomie. «Vor allem weil bislang konkrete Vorgaben zur Auslegung der Taxonomie fehlen, die für die Planungssicherheit der Unternehmen wesentlich sind», sagte ein Sprecher.

Von