Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie haben das Unternehmen in die Knie gezwungen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa)

Schlechte Nachrichten für den deutschen Schiffbau zu Jahresbeginn: Am Montag haben die MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern und die Bremerhavener Lloyd-Werft Insolvenz angemeldet.

Beide Unternehmen gehören zum Mischkonzern Genting Hongkong, der in Schwierigkeiten steckt. Der Handel mit Genting-Aktien an der Börse in Hongkong war am vergangenen Freitag ausgesetzt worden und wurde seither auch nicht wieder aufgenommen. Gentings Kreuzfahrtsparte ist wegen der Corona-Pandemie in Schieflage geraten.

Bei den MV Werften geht es um rund 1900 Beschäftigte, bei dem Bremerhavener Schiffbaubetrieb um etwa 300 Arbeitsplätze. Für die Lloyd-Werft wurde als vorläufiger Insolvenzverwalter der Hamburger Rechtsanwalt Per Hendrik Heerma eingesetzt. Er hatte diese Funktion auch bei der Elsflether Werft übernommen, die 2019 mit der Sanierung des Marineschulschiffs «Gorch Fock» scheiterte. Für die MV Werften sei noch kein Insolvenzverwalter benannt, sagte ein Sprecher des Amtsgerichts Schwerin.

Den MV Werften war es nicht gelungen, die Finanzierung des zu 75 Prozent fertigen und rund 1,5 Milliarden Euro teuren Neubaus des Kreuzfahrtschiffes «Global Dream» für bis zu 10.000 Passagiere zu sichern. Verhandlungen von Genting und der Werft mit Bund und Land scheiterten. Die Schuld daran weisen Landes- und Bundespolitiker Genting zu: Der Konzern sei nicht bereit gewesen, einen Anteil von 60 Millionen Euro am Rettungspaket zu tragen, heißt es seit Tagen.

Der Bund war demnach bereit, zu bereits gewährten 300 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds weitere 300 Millionen Euro zu geben. Vom Land Mecklenburg-Vorpommern standen weitere 78 Millionen Euro bereit – unter der Bedingung, dass sich Genting und der Bund einigen und es eine Fortführungsperspektive für die MV Werften gibt. An einer Neuausrichtung weg von Kreuzfahrtschiffen hatte der Konzern jedoch kein Interesse gezeigt. Genting habe die Werften 2016 ausschließlich mit dem Ziel übernommen, Kreuzfahrtschiffe zu bauen, hatte der Präsident von Genting Hongkong, Colin Au, der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende gesagt. Mehr als zwei Milliarden Euro seien investiert worden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Als Bundesregierung haben wir alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Insolvenz der MV Werften zu vermeiden und so die Arbeitsplätze zu retten. Allerdings haben die Eigentümer unser Hilfsangebot ausgeschlagen; die Anmeldung der Insolvenz ist die Folge.»

Die IG Metall sprach nach den Insolvenzanträgen von einem «schwarzen Tag» für den Schiffbau in Deutschland. Bezirksleiter Daniel Friedrich betonte: «Wir sind entsetzt, dass es soweit kommen musste.» Dass die Verhandlungen zu keiner Lösung geführt hätten, sei ernüchternd. «Das Vertrauen auf allen Seiten scheint endgültig aufgebraucht.»

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagte, sie hoffe auf die schnelle Einsetzung eines Insolvenzverwalters. Zunächst solle der Bau des zu 75 Prozent fertiggestellten Kreuzfahrtschiffs in Wismar vollendet werden. Dies sichere Arbeit. Im zweiten Schritt müssten Perspektiven für die Standorte Wismar, Rostock und Stralsund entwickelt werden.

Die IG Metall fordert den Fertigbau der «Global Dream» in der Insolvenz. Darüber hinaus sei es wichtig, schnell auf mögliche Investoren zuzugehen und die Werften neu auszurichten. In Bremerhaven und Stralsund habe es bereits vor der Insolvenz Interessenten gegeben.

Die Gewerkschaft sieht dabei Bundes- und Landespolitik weiter gefordert. «In dieser schwierigen Situation muss es gelingen, die hochqualifizierten Beschäftigten mit ihren guten, tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen an den Standorten zu halten», so Friedrich. Nur mit den Menschen ließen sich die Werften als industrielle Kerne für die jeweiligen Regionen sichern. Der Schiffbau gilt als industrielles Rückgrat Mecklenburg-Vorpommerns.

Auch für den Verband für Schiffbau und Meerestechnik ist jetzt entscheidend, den Erhalt der vier Standorte an der Ostsee und in Bremerhaven im Rahmen eines Eigentümerwechsels zu ermöglichen. Die deutsche Schiffbauindustrie könne sich einen weiteren Substanzverlust in dieser Größenordnung nicht leisten. Die maritime Industrie stehe vor einem Umbruch. Die gesamte Flotte müsse auf Klimaneutralität umgestellt werden. Ferner müssten die Offshore-Industrie und die Infrastruktur für nachhaltige Kraftstoffe stark ausgebaut werden. «Dafür werden in den kommenden Jahren umfangreiche Produktionskapazitäten in der maritimen Industrie benötigt», erklärte der Verband. Vor diesem Hintergrund könne sich die Insolvenz auch als Chance erweisen.

Genting-Konzern hatte die Werften 2016 übernommen, um dort für eigene Reedereien Kreuzfahrtschiffe bauen zu lassen. Nach dem coronabedingten Zusammenbruch des Kreuzfahrtmarktes Anfang 2020 geriet Genting aber in finanzielle Schieflage. Die für 2021 erwartete Trendwende blieb aus.

Von Iris Leithold, dpa

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