Für das Tanken mussten Verbraucher seit Beginn des Jahres 2022 deutlicher tiefer in die Tasche greifen als im Jahr davor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa)

Als Reaktion auf hohe Spritpreise wollen Deutschlands oberste Wettbewerbshüter die Raffinerien und Sprit-Großhändler unter die Lupe nehmen.

Wie das Bundeskartellamt am Dienstag in Bonn mitteilte, hat es eine sogenannte Sektoruntersuchung eingeleitet. «Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen führen zu zahlreichen Verwerfungen im Kraftstoffmarkt», erklärte Kartellamtschef Andreas Mundt. «Rohölpreise, die Abgabepreise der Raffinerien und die Preise an der Tankstelle sind in den vergangenen Wochen deutlich auseinandergelaufen.» Die Untersuchung solle die Gründe für die jüngsten Markt- und Preisentwicklungen ausleuchten, sagte Mundt.

Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges waren im März die Preise für Rohöl und die Preise an den Zapfsäulen stark angestiegen. Als der Rohölpreis wieder fiel, sank der Verbraucherpreis aber nicht im gleichen Maße. Diese Marktverwerfungen riefen das Kartellamt auf den Plan. Sektoruntersuchungen dienen dazu, ein bestimmtes Marktsegment tiefergehend zu analysieren und dann etwaige Missstände zu benennen. 

Dem Kartellamt zufolge wurde der Abstand zwischen dem Rohölpreis und dem Raffineriepreis (ohne Steuern) im März deutlich größer. Betrug er im Februar bei Diesel noch etwa 30 Cent, so kletterte er im März zwischenzeitlich auf mehr als 80 Cent. Zuletzt lag er bei 44 Cent. Bei Benzin war die Entwicklung weniger extrem, aber ebenfalls sehr deutlich. Auch der Abstand zwischen dem Rohölpreis und dem Tankstellenpreis war im März viel größer als sonst üblich. Lag er im Februar bei Diesel häufig bei etwas mehr als 40 Cent, so schnellte der Abstand Mitte März auf fast 90 Cent in die Höhe. Ende vergangener Woche betrug die Differenz noch mehr als 60 Cent.

Warum sich die Preisentwicklung nicht beruhigte und die Abstände noch immer weit entfernt sind vom alten Niveau, wollen die Wettbewerbshüter nun in ihrer Untersuchung klären und daraus Rückschlüsse ziehen.

Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie wies darauf hin, dass sich die Mineralölgesellschaften wegen des Ukraine-Krieges zur schnellen Reduzierung von Rohölimporten aus Russland entschlossen hätten. «Dadurch sind Benzin, Diesel und Heizöl knapper und teurer geworden», sagte ein Sprecher des Verbandes, der die Interessen der Mineralölindustrie vertritt – also von Raffinerien und Tankstellen. «Die Preise für Mineralölprodukte haben sich in dieser Situation vom Ölpreis abgekoppelt – in beiden Richtungen: Zuletzt waren die Benzinpreise gesunken, während der Ölpreis gestiegen war.»

Warum entwickelten sich die Verbraucherpreise nicht analog zum Rohölpreis? Der Verbandssprecher begründete dies unter anderem mit höheren Kosten für Gas und Strom, also die für den Raffinerieprozess nötige Energie. Öltransporte aus anderen Weltregionen seien zudem teurer als die vorher üblichen Transporte aus Russland. Trotz einer angespannten Situation gelinge es den Unternehmen, «die Versorgung mit Benzin, Diesel, Heizöl und allen weiteren Mineralölprodukten aufrechtzuerhalten», betonte der Sprecher.

Der ADAC begrüßte die Sektoruntersuchung des Kartellamts. «Wir brauchen mehr Transparenz und Informationen über die Prozesse, die dem Kraftstoffmarkt vorgelagert sind», sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. «Auch Autofahrer können durch ihr Tankverhalten die Preise beeinflussen – je besser sie informiert sind und je preisbewusster sie tanken, umso größer ist die Chance für Preissenkungen.»

Das Kartellamt publizierte zudem den Jahresbericht seiner Markttransparenzstelle, bei dem es um die Preise an Tankstellen geht. Dem Bericht zufolge sind die Preisunterschiede weiterhin groß, so Sprit bei Tankstellen an Autobahnen meistens etwa 25 Cent teurer als an normalen Straßen. Und morgens zu tanken ist teurer als abends. «Es lohnt sich, nach den preiswerteren Tankstellen zu suchen und diese zu bestimmten Zeiten anzusteuern», sagte Behördenchef Mundt und verwies auf Spritpreis-Apps.

Beim Thema Markttransparenz soll das Kartellamt gestärkt werden. Bisher übermitteln die rund 14 500 Tankstellen in Deutschland nur ihre Preisänderungen an die Behörde, künftig sollen auch  Mengenangaben geschickt werden. Daraus verspricht sich die Behörde mehr Erkenntnisse über das Marktgeschehen. So weiß sie bislang nicht, was der Verbraucher wirklich zahlt. Sie weiß nur, wie der Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt ist – wie viel zu diesem Zeitpunkt getankt wird, ist nicht bekannt. Das soll sich ändern. Ein weiterer Bestandteil einer geplanten Gesetzesänderung ist, dass das Kartellamt künftig auch Daten von Raffinerien und Großhandel bekommen soll.

Von Wolf von Dewitz, dpa

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