Die deutsche Wirtschaft leidet unter dem Ukraine-Krieg, stemmt sich aber gegen die Folgen des Schocks. So hat sich die Stimmung im April überraschend leicht verbessert, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag mitteilte.
Das von den Wirtschaftsforschern erhobene Geschäftsklima stieg gegenüber März um einen Punkt auf 91,8 Zähler. Analysten hatten mit einer weiteren Eintrübung nach dem Einbruch im März gerechnet.
«Nach dem ersten Schock über den russischen Angriff zeigt die deutsche Wirtschaft sich widerstandsfähig», sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Historisch betrachtet ist das Geschäftsklima allerdings schlecht: Lässt man das Corona-Tief und den März außer Acht, ist es auf dem niedrigsten Wert seit Februar 2010.
Auch die Bundesregierung schätzt die Situation skeptisch ein. Sie wird ihre Konjunkturprognose für das laufende Jahr auf 2,2 Prozent senken, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montag aus Regierungskreisen erfuhr. Noch im Januar hatte sie mit 3,6 Prozent gerechnet. Damit wurden Medienberichte bestätigt.
Die Unsicherheiten durch den Krieg seien hoch, hieß es aus den Regierungskreisen. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie komme durch den Krieg Russlands eine neue Belastung mit «substanziellen Risiken» hinzu – insbesondere, was Preisdruck und Lieferketten anbetreffe. Eine Verschlechterung der aktuellen Lage, vor allem mit Blick auf die Energieversorgung, könnte die Konjunkturerwartungen noch einmal dämpfen. Für 2023 werde in der Frühjahrsprojektion mit einem Wachstum von 2,5 Prozent gerechnet.
Auch Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumserwartungen zuletzt heruntergeschraubt. Im ersten Corona-Jahr 2020 war das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 4,6 Prozent eingebrochen. Im vergangenen Jahr wuchs die deutsche Wirtschaft um 2,9 Prozent.
Dass das Ifo-Geschäftsklima im April zulegen konnte, verdankt es insbesondere dem Dienstleistungssektor und verarbeitenden Gewerbe. Die Industrie zehre von noch gut gefüllten Auftragsbüchern, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Im Dienstleistungssektor profitierten unter anderem das Gastgewerbe und der Tourismus vom Nachholbedarf nach Corona.
Der Handel leidet dem Experten zufolge dagegen unter der Inflationsdiskussion und Preiserhöhungen. Das konterkariere die Hoffnungen, die die Branche in die Lockerungen der Corona-Auflagen gesetzt habe.
Besonders schlecht ist die Stimmung am Bau: Nachdem dieser sich in den vergangenen Jahren recht krisenresistent gezeigt hatte, geht es nun stark bergab. «Die schlechten Nachrichten für den Bau werden immer mehr», sagte Wohlrabe. Die Aussichten würden dort so ungünstig eingeschätzt wie noch nie seit Einführung gesamtdeutscher Zahlen im Jahr 1991. Unter anderem belasteten der Mangel an Material, hohe Preise, teure Energie und Sorgen vor einem Zinsanstieg die Branche.
Am Montag meldete das Statistische Bundesamt zwar für den Februar noch kräftiges Wachstum im Bauhauptgewerbe. Dies spiegle aber noch nicht die Schwierigkeiten durch den Ukraine-Krieg wieder, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller. In einer Umfrage seines Verbands berichtete 70 Prozent der Unternehmen von Verzögerungen, 30 Prozent von Stornierungen und 40 Prozent von durch die Auftraggeber zurückgestellten Projekten. «Für die kommenden Monate ist dies bedenklich», sagte Müller. «Wir stellen uns darauf ein, dass Unternehmen bald Kurzarbeit anmelden müssen.»
Auch eine Umfrage des Ifo-Instituts im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen weist auf eine ungünstigere Entwicklung der Wirtschaft: Demnach wollen 46 Prozent angesichts der hohen Energiepreise Investitionen verringern. 14 Prozent erwägen einen Arbeitsplatzabbau in Deutschland.
Das Ifo-Geschäftsklima basiert auf monatlichen Meldungen von Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, des Bauhauptgewerbes, des Groß- und des Einzelhandels. Die circa 9000 Unternehmen beurteilen ihre gegenwärtige Geschäftslage und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate.