Bundesklimaschutzminister Robert Habeck stellt die Kampagne «80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel» vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Kay Nietfeld/dpa)

Mit Anzeigen in Bahnhöfen, sozialen Netzwerken oder anderswo im Internet will Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck die Menschen zum Energiesparen bewegen.

Der Grünen-Politiker warb bei der Vorstellung seiner neuen Kampagne am Freitag in Berlin für eine «große gemeinsame Kraftanstrengung» und appellierte: «Wir müssen alle versuchen, unseren Beitrag zu leisten.» Die Kampagne steht unter dem Motto «80 Millionen gemeinsam für den Energiewechsel», was sich auf die Einwohnerzahl Deutschlands bezieht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts lebten hierzulande zuletzt 83,2 Millionen Menschen.

Kampagne soll nicht belehrend sein

Habeck begründete den Vorstoß mit dem Klimaschutz und den in Folge des Angriffskriegs des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Ukraine gestiegenen Energiepreisen. Und Verbraucher könnten zudem Geld sparen: «Nicht nur Putin eins auswischen, sondern selber auch ein bisschen was einsparen.» Die Kampagne solle nicht mit einem belehrenden Zeigefinger daherkommen.

Die Preise für fossile Energie seien derzeit enorm hoch, so Habeck. «Gerade im Herbst werden viele Menschen deutlich höhere Heizrechnungen bekommen als sonst. Allein schon deshalb ist Energiesparen dringend notwendig, und ich weiß, dass viele schon schauen, wo sie etwas einsparen können, gerade, wenn sie ohnehin auf jeden Cent achten müssen.»

Tipps und Hinweise sollten das so leicht wie möglich machen. «Regelmäßig das Eisfach abtauen, Duschkopf wechseln oder in Büros die Beleuchtung auf LED umstellen – das senkt den Verbrauch. Und wenn viele das machen, bringt das in der Summe wirklich was.» Wo bei der Erwärmung von Wasser Gas zum Einsatz komme, sei dies der zweithöchste Posten beim Energieverbrauch. «Nicht, dass man stinken soll oder weniger duschen, aber vielleicht dran denken, dass das Duschen, die Warmwassergewinnung auch nicht energiefrei erfolgt.»

Habeck erklärte, auch in seinem eigenen Ministerium werde bereits mehr Energie gespart. «Ich habe mich, als ich Minister wurde, total gefreut, dass es so ein schönes altes Haus ist, schön beleuchtet. Das haben wir abgestellt.» Dass die von der Bundesregierung für drei Monate gesenkte Mineralölsteuer, die das Tanken billiger machen soll, kein Beitrag zum Energiesparen ist, gab der Minister zu. «Ja, das ist ein gewisser Widerspruch, aber manchmal ist Politik eben auch nicht aus einem Guss.»

Verbandschefin appelliert an Rahmenbedingungen

Die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Jutta Gurkmann, lobte die Kampagne als richtigen Schritt, gab aber zu bedenken: «Die Abhängigkeit von fossilen Energien können wir nicht mit individuellen Kaufentscheidungen, Konsumentscheidungen lösen.» Auch die Rahmenbedingungen müssten stimmen. «Wir lassen aber auch enormes Energiesparpotenzial auf der Straße liegen, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin mit dem Verbrennungsmotor zur Arbeit fahren müssen, weil der Bus auf dem Land eben nur zwei Mal am Tag vorbei fährt.»

Der stellvertretende Präsident des Deutschen Städtetags, Ulf Kämpfer (SPD), erinnerte daran, dass arme Menschen mit Energiearmut kämpfen. Das wisse er als Oberbürgermeister des nicht eben reichen Kiel. Ein Problem sei aber auch die «Immer-mehr-Mentalität» mit mehr und größeren Autos, größeren Fernsehern, Kühlschränken und Wohnungen. Dies habe die Energieeffizienzgewinne der letzten Jahrzehnte wieder aufgefressen. Es brauche einen langfristigen Mentalitätswandel. Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring plädierte für langsameres Autofahren: «Es ist unglaublich, wie viel weniger Benzin verbraucht wird, wenn man 100, 110, 120 fährt als wenn man 160, 170 fährt.»

Kampagne soll zunächst vier Millionen Euro kosten

Für die Kampagne, die drei Jahre laufen soll, sind in einem ersten Schritt vier Millionen Euro vorgesehen. Weitere Mittel sollen folgen, wenn der nächste Bundeshaushalt beschlossen ist.

Neben Verbrauchern sind auch Unternehmen und Betriebe Adressaten der Kampagne. Bei Friseuren etwa ließe sich bei der Dauer der Zeit, die der Wasserhahn aufgedreht ist, sparen oder mit dem Einsatz dünnerer Handtücher, die beim späteren Waschen weniger Energie benötigen, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer.

Der Appell zum Energiesparen wird unterstützt von einer Reihe von Organisationen, darunter Kommunalverbände, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, Umwelt- und Verbraucherschützern. Die neue Kampagne stößt aber auch auf Kritik in der Zivilgesellschaft. Ärmere Menschen hätten kaum Möglichkeiten, Energie zu sparen, stellte die Präsidentin des Sozialverbands Deutschland, Verena Bentele, fest. «Stattdessen leben Menschen im Sozialleistungsbezug oft in schlecht isolierten Wohnungen mit alten Haushaltsgeräten, die viel Strom verbrauchen.»

Deutschen Umwelthilfe: «Kampagne ist Nebelkerze»

Umweltverbände warfen Habeck einen falschen Fokus vor. «Die Energiespar-Kampagne von Robert Habeck ist eine Nebelkerze: Anstatt dass er selbst tätig wird, verschiebt er die Verantwortung vor allem auf die Verbraucherinnen und Verbraucher und gibt Duschkopf-Tipps», beklagte die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz. Richtig sparen ließe sich bei der Sanierung von Gebäuden und dafür brauche es mehr staatliche Vorgaben und Förderung. Viviane Raddatz vom WWF unterstützte den Vorstoß zwar grundsätzlich, erklärte aber, die Ausrichtung der Kampagne auf Privathaushalte und das Gewerbe greife zu kurz. «Notwendig sind insbesondere verbindliche Einsparungen im Industriesektor», so Raddatz. «Im Verkehrssektor wäre unter anderem ein Tempolimit sinnvoll.»

Von Martina Herzog, dpa

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