Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, durch die seit 2011 russisches Erdgas nach Deutschland fließt, ist wegen Wartungsarbeiten für etwa zehn Tage abgeschaltet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jens Büttner/dpa)

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hofft nach dem Ende der Wartungsarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 auf weitere Gaslieferungen aus Russland.

«Ich habe keine geheime Information, weder in die eine noch in die andere Richtung», sagte der Grünen-Politiker am Montagabend in den ARD-«Tagesthemen». «Die Möglichkeit besteht. Die Chance, dass es nicht so kommt, ist auch da. Wir werden abwarten müssen.» Heftige Kritik kam vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der zugesagten Lieferung einer gewarteten Turbine für Nord Stream 1.

Über die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland wird seit Montag nichts mehr geliefert. Nach Angaben der Betreibergesellschaft sollen die Arbeiten bis zum 21. Juli dauern. In diesen zehn Tagen werde kein Gas durch die Pipeline nach Deutschland befördert. In Deutschland gibt es die Sorge, dass die Pipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird und im Winter das Gas knapp wird.

Die Gaskrise könnte auch eine Chance sein

Habeck betonte, vor der Abschaltung von Industriebereichen könne man viele andere Maßnahmen ergreifen. Als Beispiel nannte er den Bau schwimmender Flüssiggas-Terminals. Für sie gibt es Planungen an der Nordsee. Derzeit beobachte man, wie sich die Gasmengen entwickelten. Alles ziele darauf, im Winter volle Speicher zu haben. «Wenn es nicht gelingt, über den Markt weitere Gasmengen zu besorgen, müssen wir eben die Verbräuche weiter runterbringen», sagte Habeck. Dafür gebe es verschiedene Möglichkeiten.

Habeck sieht in der Gaskrise auch eine große Chance. «Es gibt jetzt eine neue Allianz aus Klimaschutz und Energiesicherheit», sagte er am Dienstag in Wien mit Blick auf den angestrebten forcierten Ausbau erneuerbarer Energien. Beim Besuch des Vizekanzlers in Österreich bekannten sich beide Länder zu einer engen Energie-Kooperation. So sind die beiden österreichischen Bundesländer Tirol und Vorarlberg ans deutsche Gasnetz angeschlossen, andererseits hat Österreich große Gasspeicher anzubieten. Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) mahnte, dass sich die Europäer angesichts der kritischen Lage nicht auseinanderdividieren lassen dürften.

Die Bundesregierung will auch mit Slowenien die Partnerschaft in der Gaskrise vertiefen. Bundeskanzler Olaf Scholz und der neue slowenische Ministerpräsident Robert Golob wollen sich gemeinsam um einen Ausweg aus der Energiekrise bemühen. Scholz sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz bei Golobs Besuch in Berlin, es müsse alles getan werden, um Abhängigkeiten bei Energielieferungen zu reduzieren. «Der Ausbau der Windkraft, der Solarenergie spielt eine große Rolle für unsere beiden Länder, und wir haben uns sehr sorgfältig darüber unterhalten.»

Ausnahmen bei Sanktionen seien gefährlich

Der ukrainische Präsident Selenskyj kritisierte unterdessen die geplante Lieferung einer gewarteten russischen Turbine für Nord Stream 1. «Wenn ein terroristischer Staat eine solche Ausnahme bei den Sanktionen durchsetzen kann, welche Ausnahmen will er dann morgen oder übermorgen? Diese Frage ist sehr gefährlich», sagte Selenskyj am Montag in einer Videobotschaft. «Und gefährlich nicht nur für die Ukraine, sondern auch für alle Länder der demokratischen Welt.»

Der russische Staatskonzern Gazprom hat die Liefermenge durch Nord Stream 1 im Juni deutlich gedrosselt und auf die fehlende Turbine verwiesen, die zur Reparatur in Kanada war. Der Bundesregierung zufolge fällt die Lieferung der Turbine nicht unter die EU-Sanktionen, weil sich diese nicht gegen den Gastransit richten.

Selenskyj sagte, die Ausnahme bei den Sanktionen werde in Moskau als Schwäche wahrgenommen. «Das ist ihre Logik. Und jetzt besteht kein Zweifel daran, dass Russland versuchen wird, die Gaslieferungen nach Europa nicht nur so weit wie möglich einzuschränken, sondern im akutesten Moment vollständig einzustellen», sagte der Staatschef.

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