Schüchtern und tapsig im Privaten, voller Selbstbewusstsein als Militär – und immer mit den Gedanken bei seiner Mutter: Prinz Harry zeigt sich in seinen Memoiren als unangepasster Royal. Zuletzt erhob der 38-Jährige in mehreren Interviews Vorwürfe gegen Bruder Prinz William, Stiefmutter Königsgemahlin Camilla und die britische Boulevardpresse.
Am Dienstag erschien seine seit Wochen mit Spannung erwartete Autobiografie «Reserve», wie der deutsche Titel lautet. Die mehr als 500 Seiten, die Harry mit Hilfe des Ghostwriters J.R. Moehringer verfasst hat, bieten seine Sicht auch auf die Spannungen innerhalb der Royal Family. Ein Überblick:
William der ewige Rivale
An seinem älteren Bruder, den er «Willy» nennt, reibt sich Harry im gesamten Buch – schon der Titel «Reserve» legt nahe, wie sich der Nachgeborene auch von William gesehen fühlt. Lange galten die Brüder als Herz und Seele. Doch schon in der Eliteschule Eton habe William deutlich gemacht, dass er mit Harry nichts zu tun haben wolle. Später habe es Streit gegeben, weil beide sich für Afrika engagieren wollten. Zudem wirft Harry William und dessen Gemahlin Herzogin Kate Gefühlskälte gegen seine Frau Herzogin Meghan vor. Bei mehreren Treffen sei es den Paaren nicht gelungen, den Streit auszuräumen. «Mein geliebter Bruder, mein Erzfeind, wie hatte das geschehen können?», fragt Harry gleich auf den ersten Seiten.
Große Sympathie für Queen Elizabeth
Immer wieder lässt Harry seine Liebe zu Vater König Charles III. durchscheinen, der ihn «darling boy» nennt. Vor allem Großmutter Königin Elizabeth II. und Großvater Prinz Philip gehört seine volle Sympathie. Doch zugleich beschreibt Harry die steifen Konventionen und fehlende Emotionalität auch hinter den Palastmauern. Eine leichte Wangenberührung sei der größte Ausdruck von Zärtlichkeit gewesen. Mit dem Auszug aus der Royal Family habe auch die Beziehung zum Vater nachgelassen. Charles habe klar gemacht, dass Meghan nicht erwünscht sei, um die im Sterben liegende Queen auf deren schottischem Landsitz Balmoral zu besuchen. William habe auf Nachrichten nicht geantwortet.
Schwieriges Verhältnis zu Camilla
Gegen die neue Frau seines Vaters erhebt Harry schwere Vorwürfe. Sie habe mehrmals private Details über ihn – und auch Bruder William – an die Medien durchgestochen, legt Harry nahe. Camilla habe ihn «auf ihrem persönlichen PR-Altar geopfert», um selbst bessere Berichterstattung in der Presse zu bekommen. Wie bei vielen Themen scheint Harry aber auch bei der Königsgemahlin recht unsicher zu sein. Er habe sich für Vater Charles gefreut, denn er sei mit Camilla offensichtlich glücklich. Und er habe sich gewünscht, dass auch sie glücklich sei – «vielleicht wäre sie ja dann weniger gefährlich?», nennt Harry als Grund für diese Gedanken.
Der Unfalltod Dianas ist das Trauma seines Lebens
Der Unfalltod seiner Mutter ist für Harry das prägende Ereignis seines Lebens. Ihr widmet er «natürlich» – neben Ehefrau Meghan und den Kindern Archie und Lilibet – sein Buch. Wiederholt fragt sich der Prinz, ob seine Mutter tatsächlich gestorben ist oder einfach nur untergetaucht sei. Seinen Privatsekretär weist er an, ihm die Polizeiakten zu dem Fall zu beschaffen, bei einem Besuch in Paris lässt er sich durch den Tunnel fahren, in dem Diana 1997 ums Leben kam. Später macht er eine Therapie, um seine Trauer zu verarbeiten, die auch zu Panikattacken geführt habe. Sein Krieg habe nicht in Afghanistan begonnen, wo er zwei Mal als Soldat im Einsatz war. «Er begann im August 1997», betont Harry.
Die Rolle der Boulevardpresse
Die britischen Medien, vor allem die Boulevardblätter, sieht Harry als seinen größten Feind. Ihnen wirft er Rassismus gegen Meghan vor. Immer wieder schildert Harry, wie erfundene Geschichten über ihn Schlagzeilen machten oder schadenfroh Fotos von ihm nach Saufgelagen gedruckt wurden. Die Medien hätten eine diebische Freude daran gehabt, einem unreifen Teenager das Leben zur Hölle zu machen, nur weil er Mitglied der Royal Family sei. Aus seinem Hass vor allem gegen Fotografen, die seiner Ansicht nach Schuld an Dianas Tod sind, macht er keinen Hehl. «Diese Paps, die Paparazzi, waren schon immer abartige Typen gewesen, doch als ich erwachsen geworden war, wurden sie noch schlimmer», schreibt er und vergleicht sie mit radikalisierten Muslimen: «Ihre Mullahs waren die Redakteure, dieselben, die nach Mummys Tod geschworen hatten, sich zu bessern.»