«Umgehungsaktivitäten effektiver als bislang entgegenstellen»: Robert Habeck. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Fabian Sommer/dpa)

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Umgehung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland deutlich erschweren. Der Grünen-Politiker sagte am Donnerstag in Berlin: «Es gibt deutliche Umgehungen der Sanktionen, und es gibt auch deutliche Umgehungen aus Deutschland heraus.» Dies sei kein Kavaliersdelikt und bereits strafbewehrt. «Hier wird das Interesse der Menschen, die um ihre Freiheit kämpfen, verraten», sagte er mit Blick auf die Ukraine und den russischen Angriffskrieg.

In einem Papier des Wirtschaftsministeriums heißt es, Außenhandelsdaten deuteten darauf hin, dass EU-sanktionierte Güter «in erheblichem Maß» aus der EU und damit auch aus Deutschland in bestimmte Drittländer ausgeführt und von dort nach Russland weiter exportiert werden. Habeck schlägt ein Maßnahmenpaket vor, um dies zu unterbinden. Dies solle im Fokus eines elften EU-Sanktionspakets gegen Russland stehen.

Habeck sagte, es handle sich bei der Umgehung von Sanktionen auch um Hightech-Güter und Güter, die militärisch eingesetzt werden können. Ein Unterbinden von Lieferungen und eine Einhaltung von Sanktionen wäre sicherlich auch ein Beitrag, die militärische Kampfkraft Russlands zu schwächen. Habeck sagte aber zugleich: «So schlimm es ist, das auszusprechen: Ich glaube, dass Russland nur auf dem Schlachtfeld in die Knie gezwungen werden kann.»

Etliche Güter nehmen Umweg

Vermutet wird, dass etliche Güter, die wegen EU-Sanktionen nicht mehr nach Russland geliefert werden dürfen, über Umwege in das Land kommen. Als problematisch werden vor allem Komponenten für die Rüstungs-, Energie- und Weltraumindustrie angesehen. Im Verdacht stehen Staaten wie die Türkei, China oder Indien, die sich nicht an den Sanktionen gegen Russland beteiligen.

Habeck wollte keine Namen von Ländern nennen. Die Analyse sei noch nicht abgeschlossen. Wenn man sich Handelsströme anschaue, könne es sich aber nicht um Zufall handeln, dass Exportquoten von bestimmten Gütern nach Russland ab Kriegsbeginn oder Sanktionseintritt sprunghaft angestiegen seien. «Plausibel ist, dass hier tatsächlich zumindest billigend die Umgehung von Sanktionen in Kauf genommen werden», sagte der Minister: «Das wiederum können wir nicht in Kauf nehmen.»

Wie die «Welt am Sonntag» unter Berufung auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes berichtete, wecken hohe Zuwächse bei deutschen Ausfuhren für den Kaukasusstaat Armenien sowie Kasachstan und Kirgistan in Zentralasien den Verdacht auf die Umgehung von Russland-Sanktionen.

Unternehmen stärker in der Pflicht

Das Wirtschaftsministerium will nun konkret Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen. So sollen Exporte in bestimmte Drittstaaten nur noch bei Abgabe von transparenten «Endverbleibserklärungen» im Rahmen der Ausfuhranmeldung möglich sein. «Das gilt für alle sanktionierten Güter, die von Bedeutung für die russische Kriegsmaschinerie sind. Dafür setzen wir uns auf EU-Ebene ein und passen die nationalen Regularien an», heißt es in dem Papier.

Habeck sagte im «Frühstart» von RTL und ntv, die Unternehmen müssten dann über eine Zollerklärung bestätigen, dass die Güter im Land bleiben. Vorsätzliche Falschangaben sollten künftig europaweit eine Straftat sein.

Unternehmen in Drittstaaten, die ein Produkt mit EU-Herkunft, das auf der Sanktionsliste stehe, nach Russland weitergeben, sollen als Empfänger dieser Güter ausgeschlossen werden. «Die dürfen eben nicht mehr Abnehmer werden», so Habeck. «Das ist ein harter Einschnitt für diese Unternehmen.»

Zudem will die Bundesregierung Hinweise auf Sanktionsverstöße stärker fördern. Dafür wolle man mit den EU-Partnern Sektorsanktionen mit einer Informationsoffenlegungspflicht ergänzen, die sich an jedermann richte. Wer «sanktionsrelevante Informationen» habe, müsse diese den Behörden melden.

Umgehungstaktiken werden kreativer

Deutschland und elf weitere EU-Staaten haben bereits eine Initiative für ein entschlosseneres Vorgehen gegen die Umgehung von Russland-Sanktionen gestartet. «Umgehungstaktiken und Beschaffungsbemühungen der Russen werden zahlreicher und kreativer», heißt es in einem Papier für Gespräche mit den anderen EU-Staaten. Es sei deswegen dringend nötig, dem entgegenzuwirken.

In dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag, schlagen die EU-Staaten unter anderem den Aufbau einer gemeinsamen Analyse-Plattform vor. Über sie könnten konkrete Fälle und verdächtige Handelsströme untersucht werden. Zudem wird etwa dafür geworben, die Möglichkeiten zu erweitern, Firmen aus Nicht-EU-Ländern den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu verwehren.

Seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine vor knapp einem Jahr hat die EU neun Sanktionspakete gegen Russland auf den Weg gebracht. Das zehnte EU-Paket mit Russland-Sanktionen soll an diesem Freitag in Kraft treten. Um zu verhindern, dass Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern militärisch nutzbare zivile Güter wie Drohnen an Russland liefern, soll die Anwendung des bestehenden Sanktionsregimes ausgeweitet werden.

Habeck ging im Interview mit RTL und ntv auch darauf ein, dass zwar deutsche Unternehmen kein russisches Gas mehr einkaufen würden. «Über die LNG-Terminals der anderen Länder mag noch Gas aus Russland nach Deutschland kommen», so der Minister. Das sei aber keine große Menge mehr. «Das Entscheidende, der entscheidende Schritt ist, dass die Ölpreise runter gedrückt werden. Russisches Öl kann nicht mehr voll bezahlt werden. Das wird wahrscheinlich nach all den Daten, die wir kennen, Russland am empfindlichsten treffen.»

Rohöl sowie Raffinerieprodukte wie Diesel, Benzin oder Schmierstoffe aus Russland dürfen inzwischen nicht mehr nach Deutschland und in die meisten anderen EU-Länder importiert werden. Das soll dazu beitragen, die russischen Handelsgewinne zu begrenzen, und dadurch auch Russlands Fähigkeiten zur Kriegsführung einschränken. Medienberichten zufolge steht aber zum Beispiel Indien unter Verdacht, große Mengen russisches Rohöl billig einzukaufen und es in Form von Treibstoff teuer nach Europa weiterzuverkaufen.

Von Andreas Hoenig, Alexander Sturm und Ansgar Haase, dpa

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