Melissa Barrera (v.l.n.r.) als Sam Carpenter, Jenna Ortega als Tara Carpenter, Jasmin Savoy Brown als Mindy Meeks-Martin und Mason Gooding als Chad Meeks-Martin in einer Szene des Films «Scream VI». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Philippe Bossé/Paramount/dpa)

Mehr als ein Vierteljahrhundert hat der erste Teil der kultigen «Scream»-Horrorfilmreihe auf dem Buckel. Bald acht Jahre ist Wes Craven tot, als Regisseur verantwortlich für die «Scream»-Teile eins bis vier. Teil eins ist von 1996. Er sollte dem träge gewordenen US-Grusel-Genre frische Impulse geben, eine neue Ära des Horrorfilms einläuten. Beliebt ist die Reihe bis heute, der fünfte «Scream» bekam 2022 überraschend gute Kritiken.

Heute gilt «Scream» als Paradestück der selbstreferenziellen Horrorfilme. Filme, die nicht nur schockieren wollen, sondern sich der Regeln des Genres auf schlaue Art bewusst sind, diese hinterfragen, ja parodieren. Das gilt auch für den nun startenden sechsten Teil der Reihe, der neben Courteney Cox («Friends»; sie war schon beim ersten Film dabei) mit Schauspielerinnen und Schauspielern wie Jenna Ortega aus der beliebten «Netflix»-Serie «Wednesday» aufwartet. Traurig stimmen könnte manchen Fan aber, dass Hauptdarstellerin Neve Campbell diesmal nicht mit von der blutigen Messer-Partie ist.

Mischung aus Gruselfilm, Kriminalstück und Komödie

Im ersten «Scream» von 1996 musste Drew Barrymores Figur ein selbstreferenzielles Frage-und-Antwort-Spiel zum Thema Horrorfilme über sich ergehen lassen. Ein unbekannter Anrufer droht damit, ihren auf der Terrasse gefesselten Freund zu erledigen, sollte sie das hintersinnige Spiel verlieren. Nach dem Tod eben dieses Freundes macht der mit einer weißen Maske getarnte Killer dann auch Jagd auf sie: Und ihre Eltern, die finden nur noch ihre Leiche.

Der erste «Scream» war eine kuriose und faszinierende Mischung aus Gruselfilm, Kriminalstück und Komödie, ein schlaues Spiel mit all jenen Versatzstücken, die den US-Horrorstreifen so genial wie gleichzeitig vorhersehbar machen. Aber, und das gilt auch für die nun lancierte Fortsetzung: Genießen kann man «Scream» auch, wenn man weder Hitchcocks «Psycho» noch Wes Cravens «A Nightmare on Elm Street» gesehen hat, wenn einem John Carpenters «Halloween» ebenso wenig sagt wie Brian De Palmas «Carrie».

«Scream 6» führt das selbstreferenzielle Spiel freudig fort – gleich zu Beginn muss eine Film-Professorin in einer famos inszenierten Sequenz ihr Leben lassen, nachdem ihr zuvor am Telefon (man kennt das!) unter anderem die Frage gestellt wurde, was denn ihr Lieblings-Grusel-Streifen sei. Hier zeigen die Regisseure Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett (die auch für den Vorgänger von 2022 verantwortlich sind) mit ganz einfachen und doch höchst wirkungsvollen Mitteln (Klassiker: die dunkle Gasse), was sie können. Das ist unheimlich und macht doch Spaß; bestes amerikanisches Popcorn-Schauer-Kino.

Etwas viel Selbstreferenzialität

Zuweilen jedoch übertreibt es der neue «Scream» mit all seinen Bezügen und Verweisen. Zwar gehört das gekonnte Spiel mit, das Thematisieren von Genre-Konventionen unbedingt zu den Alleinstellungsmerkmalen dieser Horror-Serie – zuweilen aber droht sich der neue «Scream» in seiner Selbstreferenzialität zu verheddern. Schließlich muss wohl selbst die Zahl 96, die hier an einer New Yorker U-Bahn-Wand prangt, als Verbeugung vor dem im Jahr 1996 lancierten legendären Erstling verstanden werden.

Im sechsten Teil des Horror-Franchise jedenfalls lassen die vier Überlebenden der jüngsten Mordserie des berüchtigten Ghostface-Killers ihre Heimatstadt Woodsboro hinter sich, um in New York ein neues Kapitel einzuläuten. Sie teilen sich eine WG mit noch weiteren Mitbewohnern – lange freilich währt es nicht, das studentische Hochgefühl (inklusive exzessiver Parties).

Der Ghostface-Mörder (oder sind es mehrere?) treibt auch im Big Apple sein lustvolles Angst-Spiel. Und das in einer Stadt, in der sowieso gerade alle mit Horror-Masken unterwegs sind, ob auf der Straße oder in der Metro: New York feiert Halloween; in der berühmtesten Großstadt der Welt tummeln sich lauter vermeintliche Killer.

Das Horrorgenre ist quicklebendig

Bei allen Schwächen zeigt auch diese Fortsetzung, warum es sich beim Horrorfilm um ein faszinierendes und, bei allen Klischees (auch hier läuft schließlich alles auf einen eher müde stimmenden Endkampf hinaus), schlichtweg nicht tot zu kriegendes Genre handelt.

Hiesige Screamianer dürfen sich zudem glücklich schätzen: Startet der sechste Teil dieser so hintersinnigen wie kommerziell erfolgreichen Reihe (geschätztes Gesamteinspielergebnis aller bisherigen Teile: mehr als 700 Millionen US-Dollar) doch in Deutschland einen Tag früher als in den USA.

Von Matthias von Viereck, dpa

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