Bundesfamilienministerin Lisa Paus sieht Bedarf für mehr Prävention gegen Hassrede im Internet. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Michael Kappeler/dpa)

Im Internet werden Menschen in Deutschland laut einer neuen Studie in großem Umfang zu Opfern von Beleidigungen, Drohungen und sexuellen Belästigungen. So wurden 49 Prozent der Internetnutzerinnen und -nutzer nach eigenen Angaben bereits im Internet beleidigt – 12 Prozent passierte dies sogar häufig. Über 41 Prozent der Menschen wurden demnach schon falsche Dinge in sozialen Medien verbreitet. «Hass im Netz ist leider allgegenwärtig», sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung der Studie in Berlin.

Zum Opfer von sexueller Belästigung oder Androhung von physischer Gewalt wurde laut der Studie jeweils ein Viertel der Befragten – bei 7 beziehungsweise 5 Prozent der Betroffenen kommt dies sogar häufig vor. Persönliche Informationen wie Wohnort oder Adresse fanden sich bei mehr als jeder und jedem Fünften schon einmal gegen den eigenen Willen im Netz. 42 Prozent der jungen Frauen zwischen 16 und 24 Jahren erhielten bereits ungefragt ein Nacktfoto. 

Mehr Hass im Netz als früher

«Hass im Netz hat in den letzten Jahren zugenommen, sagte Hanna Gleiß von «Das NETTZ», einer Stelle gegen Hassrede im Netz, die die Studie mitherausgegeben hat. Befragt worden waren mehr als 3000 Internetnutzerinnen und -nutzer ab 16 Jahren. 89 Prozent von ihnen sagen, es sei heute mehr Hass im Netz zu finden als in der Vergangenheit. 

«Die Jüngsten sind am meisten betroffen», teilte Gleiß mit. Auch Frauen werden überproportional oft Zielscheibe entsprechender Angriffe. Die Frage, ob sie schon von Hass im Netz betroffen waren, bejaht fast jede dritte Frau zwischen 16 und 24 Jahren. Bei den Männern gleichen Alters ist es nur gut jeder Fünfte. Mit dem Alter nehmen die Anteile ab. 

Anfeindungen wegen Ansichten und Aussehen

Auch Menschen mit «sichtbarem Migrationshintergrund» und Menschen mit homo- oder bisexueller Orientierung sind laut der Erhebung besonders oft Anfeindungen ausgesetzt – etwa 13 Prozent der heterosexuellen Menschen und 36 Prozent der bisexuellen. 

Bei der Frage, worauf sich bei Betroffenen der Hass im Netz bezog, stehen mit 41 Prozent die politischen Ansichten an der Spitze – gefolgt vom Aussehen (37 Prozent), der eigenen körperlichen oder psychischen Gesundheit (24 Prozent) oder einem Migrationshintergrund (17 Prozent).

Paus sagte, etwa Frauen, politisch Engagierte, jüdische, muslimische, nicht weiße Menschen würden besonders häufig Opfer von Hass im Netz. Die Folge laut der Studie: Die Betroffenen ziehen sich mit eigenen Posts und Äußerungen verstärkt zurück. So gaben 24 Prozent aller Befragten an, ihr Profil im Zusammenhang mit Hass im Netz nicht mehr benutzt, deaktiviert oder gelöscht zu haben. 

Paus: trotz Meldeoption selbst oft «ohnmächtig» gegenüber Hass

Zur Bekämpfung von Hass-Posts hält Bundesfamilienministerin Lisa Paus eine bessere Prävention für notwendig. Im ARD-«Morgenmagazin» plädierte die Grünen-Politikerin vorab außerdem für eine bessere Durchsetzung von Regeln durch die Behörden und Hilfe für Betroffene.

Obwohl man Hass-Posts inzwischen bei den jeweiligen Diensten melden könne, habe man den Eindruck: «Es ist einfach eine Riesenflutwelle, die da über einen kommt, und mit jedem Post, den man meldet, kommen zehn oder 20 oder 100 oder 1000 weitere hinzu», führte Paus aus. «Von daher fühlte auch ich mich dann teilweise sehr ohnmächtig.»

Vor diesem Hintergrund ist die Bundesfamilienministerin nach eigenen Angaben froh, «dass es inzwischen den Digital Services Act gibt, der jetzt auch bereits europaweit in Kraft ist». Dieses Gesetz über digitale Dienste soll unter anderem sicherstellen, dass illegale Inhalte wie Hassrede nach entsprechenden Hinweisen schneller aus dem Netz entfernt werden. Deutschland arbeite zudem an weiterer nationaler Gesetzgebung, erklärte Paus: «Das ist die eine Seite, dass wir tatsächlich bei der Regulierung noch mal gucken müssen, was können wir da besser machen.»

Mit Blick auf den Vollzug müssten zudem die Behörden «jetzt auch in die Lage kommen, da tatsächlich zu arbeiten», sagte Paus weiter. Außerdem sei konkrete Hilfe für betroffene Menschen wichtig, damit sie ihr Recht auch durchsetzen könnten.

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