Der Dax ist der wichtigste Aktienindex in Deutschland. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Fredrik von Erichsen/dpa)

Rekordlauf und kein Ende: Die Aussicht auf sinkende Leitzinsen und starke Firmenbilanzen haben den Dax am Mittwoch erstmals über die Marke von 18.000 Punkten getrieben. Schon seit Monaten geht es im deutschen Leitindex nach oben, zuletzt erreichte er fast täglich Höchststände.

Erst Mitte Dezember hatte der Dax die Schwelle von 17.000 Punkten geknackt. Während die deutsche Wirtschaft schwächelt, sind Anleger in Jubelstimmung. Auch der Goldpreis notiert nahe am jüngsten Rekord, während die Kryptowährung Bitcoin ein Allzeithoch erreicht hat. Was sind die Gründe für die Börseneuphorie, und wie sind die Aussichten?

Dax-Konzerne global aufgestellt

Zwar sind die Sorgen um die Konjunktur in Deutschland groß, doch die 40 Konzerne im Leitindex sind global tätig und machen große Teile ihrer Geschäfte im Ausland, wo die Wirtschaft stärker wächst als im Heimatmarkt – zum Beispiel in den USA und in China, aber auch in vielen Eurostaaten. Während die deutsche Wirtschaft laut Bundesregierung dieses Jahr allenfalls minimal zulegen dürfte, hat der Internationale Währungsfonds seine Prognose 2024 für die USA angehoben. Von der robusten Wirtschaft dort profitieren US-Aktien, die den deutschen Aktienmarkt mit nach oben ziehen.

Und die Blicke von Aktienanlegern richten sich oft nicht unbedingt auf die aktuelle Lage, sondern auf künftige Gewinne. Impulse für steigende Kurse liefern hierzulande die Geschäftszahlen großer Konzerne. Am Mittwoch etwa überzeugte Deutschlands größter Energieversorger Eon die Anleger. Trotz aller Abgesänge auf die deutsche Wirtschaft läuft es für einige Dax-Konzerne rund, Versicherer wie die Allianz fahren Rekordgewinne ein.

Boom um Künstliche Intelligenz

Insbesondere in den USA ist ein Hype um Künstliche Intelligenz entstanden, etwa um den Chiphersteller Nvidia, dessen Aktienkurs förmlich explodiert ist. Auch Konzerne wie Microsoft und die Google-Mutter Alphabet profitieren davon. Da amerikanische Tech-Konzerne ein großes Gewicht an den Weltbörsen haben, strahlt das auf die gesamte Stimmung am Kapitalmarkt ab. Die USA sind für Anleger als Leitbörse unangefochten. Läuft es dort gut, kommt das auch dem Dax zugute.

Aussicht auf sinkende Leitzinsen

Die Anleger setzen vor allem darauf, dass die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank Fed im Juni mit ihren Zinssenkungen beginnen. Zuletzt hatte die Aussicht auf eine schneller sinkende Inflation in der Eurozone den deutschen Aktienmarkt beflügelt. Auch in den USA werden Leitzinssenkungen der Notenbank FED erwartet. Zwar hält sich die Inflation sowohl in der Eurozone als auch in den USA hartnäckig, was die Vorfreude auf sinkende Zinsen der Börsianer dämpfte. Niedrigere Leitzinsen dürften nicht so schnell kommen wie vor Wochen erwartet. Doch sie werden kommen, lautet der Tenor am Markt.

Für Aktien-Anleger sind Aussichten auf sinkende Zinsen gute Nachrichten: Aktien werden gegenüber festverzinslichen Papieren attraktiver. Kredite werden günstiger, Unternehmen können sich deshalb leichter finanzieren, Investitionen werden erschwinglicher.

Bitcoin ebenfalls im Aufwind

Neben Aktien sind auch die Kryptowährung Bitcoin und Gold begehrt. Der Bitcoin erreichte erst am Montag die Rekordschwelle von 72.000 Dollar, am Mittwoch lag er schon deutlich über 73.000 Dollar. Allein seit Jahresbeginn hat das Digitalgeld um rund 66 Prozent gegenüber dem US-Dollar zugelegt. Für den Kursanstieg sorgten vor allem Vermögensverwalter wie Blackrock, die in den USA Bitcoin-Fonds aufgelegt haben. Sie ermöglichen Anlegern, in Bitcoin zu investieren, ohne die Digitalwährung selbst direkt erwerben oder verwahren zu müssen. Mit dem Bitcoin-Allzeithoch ist aber nicht sicher, dass der Kurs ständig weiter steigen wird. So ist der Bitcoin berüchtigt für enorme Schwankungen.

Gold profitiert von globalen Krisen

Auch Gold ist gefragt. Hier treibt die Aussicht auf sinkende Zinsen ebenfalls den Kurs, der zuletzt nur knapp unter dem Rekord von 2195 US-Dollar je Feinunze lag. Je niedriger die Kapitalmarktzinsen sind, desto attraktiver wird der Kauf von Gold, das weder Zins noch Dividende abwirft. Außerdem schätzen Investoren Gold als sicheren Anlagehafen – und die geopolitischen Risiken sind mit den Spannungen im Nahen Osten noch gewachsen.

Rohstoffexpertin Thu Lan Nguyen von der Commerzbank rechnet auf längere Sicht nicht mit einem deutlichen Rückfall des Goldpreises. Gleichzeitig sieht sie begrenztes Aufwärtspotential. «Wir heben unsere Goldpreisprognose für Ende dieses Jahres und Ende nächsten Jahres daher nur von 2100 Dollar je Feinunze auf 2200 Dollar an.»

Warnung vor zu viel Euphorie

Nach der starken Dax-Rallye warnen Experten jedoch vor Sorglosigkeit. Portfoliomanager Thomas Altmann von QC Partners verwies auf überdurchschnittlich hohe Handelsvolumia. Derzeit reiche es schon, wenn bei großen Zahlen wie der US-Inflationsrate eine negative Überraschung ausbleibe, um den Markt weiter hochzutreiben. Der Dax sei «überkauft».

«Die Haltung der Anleger spiegelt weniger Zuversicht wider, sondern eher Sorglosigkeit und die Furcht, etwas zu verpassen», schrieben Experten der Landesbank Baden-Württemberg. Sie erwarten zunehmende Gewinnmitnahmen im Sommer. Im Jahresverlauf könnte dann zudem ein Risiko für Sicherheit und Welthandel in den Fokus rücken: Die US-Präsidentschaftswahlen im Herbst, aus denen Donald Trump als Sieger hervorgehen könnte.

Von Alexander Sturm und Christoph Dernbach, dpa und Jürgen Krämer, dpa-AFX

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