Elke Heidenreich kann dem Alter viele positive Aspekte abgewinnen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hannes P Albert/dpa)

Für die einen ist das Alter ein Schreckgespenst, der gefürchtete letzte Lebensabschnitt, verbunden mit Einsamkeit und Verfall. Andere versuchen, das Alter mit aller Gewalt auszublenden, mit Botox-Gesichtern und aufgespritzten Lippen eine scheinbar ewige Jugend vorgaukeln. Elke Heidenreich geht einen dritten Weg: Sie nimmt das Alter als etwas Unvermeidliches an und versucht ihm – trotz unleugbarer negativer Aspekte  ̶  das Beste abzugewinnen.

In ihrem Buch «Altern» schreibt die 81-Jährige: «Was macht das jetzt mit mir, das Alter? Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur: Ich stelle mich ihm, ich verleugne es nicht, ich versuche nicht jünger zu wirken, als ich bin. Und ich finde schon gar nicht, dass das Leben im Alter weniger wert ist.»

Der nach wie vor umtriebigen Autorin und Literaturkritikerin behagte das Buchprojekt ihres Verlages anfangs gar nicht, sie wollte es ablehnen. Ernst nach genauerem Nachdenken sei ihr bewusst geworden, dass sie mit über achtzig über das Altern doch eine ganze Menge zu sagen habe. Entsprechend ist das gut 100 Seiten starke Buch überwiegend autobiografisch geprägt, wie fast alle Bücher von Elke Heidenreich. Statistiken und wissenschaftliche Analysen wird man hier nicht finden, dagegen viele Zitate von Schriftstellern und Philosophen aller Epochen, die sich über das Alter ausgelassen haben. Nicht alle finden dabei Gnade vor den Augen der Autorin. Von dem römischen Philosophen Seneca stammen diese nicht gerade sehr altersfreundlichen Zitate: «Das Alter ist eine unheilbare Krankheit» und «Selten ist derselbe Mensch glücklich und alt». Falsch, kontert Heidenreich: «Ich kenne sehr glückliche Alte, gehöre selbst dazu.»

«Alles über sechzig ist ein Geschenk»

Im Rückblick auf ihre schwierige Jugend scheint ihr heutiges Alter geradezu als eine Gnade: «Alles über sechzig ist ein Geschenk, fast alles unter dreißig eine Quälerei.» Auf eine trostlos unglückliche Kindheit folgten orientierungslose Herz-Schmerz-Jugendjahre «Wie viel sinnlos verschwendete Lebenszeit, heulend im Bett und nächtelang am Tagebuch.» Das Problem mit der Jugend sei eben leider, dass sie zu früh käme: «Ach ja, die Jugend wäre schön, wenn sie etwas später käme und wir schon etwas klüger wären, oder? An die Jungen ist sie ja geradezu verschwendet!»

Eine Voraussetzung für ein glückliches Alter ist ihrer Meinung nach, einmal getroffene Entscheidungen zu akzeptieren, auch wenn sie sich nachher als falsch herausgestellt hätten. Sie selbst habe viele falsche Entscheidungen in ihrem Leben getroffen. Eine weitere Bedingung für ein gelungenes Alter sei ein aktives engagiertes Leben, das allerdings schwierig sei, wenn man nicht mehr gesund ist. Gesundheit und finanzielle Absicherung seien deshalb Privilegien, für die sie dankbar sei.

Keine Fitness- und Schönheitstipps

In dem locker strukturierten und flott geschriebenen Buch wird man von Elke Heidenreich keine Fitness- und Schönheitstipps erwarten. Schließlich verabscheut sie den «verblödeten» Schönheits- und Jugendkult unserer Zeit aus ganzem Herzen. Dass ihr Gesicht fast faltenlos geblieben sei, verdanke sie nicht etwa der Chirurgie, sondern einem ererbten guten Bindegewebe: «Ich will kein Kunstprodukt sein, ich will ICH sein, mit meinen Haaren, die immer schon mausig waren und nun wunderbarerweise fast nicht grau werden.» Was den Charakter angehe, so ändere er sich im Alter nicht mehr. Nach wie vor gehe ihr das «Gesunde, woke, Brave» auf den Wecker: «Ich bin keine nette Alte.»

Elke Heidenreich ist mit einem fast 30 Jahre jüngeren Musiker liiert. Trotzdem sieht sie immer noch gerne «schönen jungen Männern nach, die für mich nun unerreichbar sind.» Das schmerze sie aber nicht, denn «es gab ja eine Zeit, da war das nicht so, und ich hatte diese Zeit. Sie ist – ohne jedes Bedauern – vorbei. Und ich setze meine Brille auf und lese dann eben Liebesgeschichten, statt sie zu erleben.»

Elke Heidenreich: Altern, Hanser Berlin, Berlin, 112 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-446-27964-3

Von Sibylle Peine, dpa

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