Ein Teil des Baugerüstes wird vor dem Dom heruntergelassen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Oliver Berg/dpa)

«Los geht’s!», sagt Dombaumeister Peter Füssenich. In 105 Metern Höhe gibt es jetzt einen Ruck. Ein riesiger Kran hat das erste Teil des 30 Meter hohen Hängegerüsts am Nordturm des Kölner Doms abgenommen.

Es ist der heikelste Moment des Unterfangens. Wenn das Gerüst jetzt auch nur leicht schwanken und gegen den Turm schlagen würde, könnte das enormen Schaden verursachen. Minuten später aber setzt das Gerüst sicher auf der Domplatte auf. Peter Füssenich lächelt. «Alles gut.»

Der schmale, bärtige Mann, der an diesem Tag einen weißen Schutzhelm trägt, ist der 19. Kölner Dombaumeister. Der erste war Meister Gerhard und er lebte von etwa 1210 bis 1271. Meister Gerhard nahm den Auftrag an, eine Kirche zu bauen, die 20.000 Menschen fassen kann – in einer Stadt, die damals 40.000 Einwohner zählte.

Trotz solcher Superlative: Wer in den letzten Jahren kam, um den Dom zu sehen, war oft enttäuscht: «Oh nein – was für ein Pech! Ausgerechnet jetzt wird renoviert!» Dieser Stoßseufzer bezog sich auf das Baugerüst am Nordturm. Für Erinnerungsfotos nicht ideal.

Zumal es auch schon so schwierig genug ist, ein Selfie vor dem Dom zu machen: So sehr man sich auch verrenkt, auf die Domplatte kniet oder gar der Länge nach hinlegt – man bekommt ihn einfach nicht richtig drauf. Das Ding ist zu groß.

An diesem Donnerstag aber ist es nun endlich soweit: Nach zehn Jahren nimmt der Dom gleichsam die schützende Gesichtsmaske ab und zeigt sich unverhüllt. Schon am frühen Morgen sieht man in über 100 Metern Höhe vier kleine Gestalten auf dem Gerüst herumturnen und hört ihr Hämmern bis nach unten. Das kommt dadurch zustande, dass sie die Befestigungsbolzen lösen. Eine große Menge Schaulustiger steht um den abgesperrten Bereich herum, den Blick steil nach oben gerichtet.

In drei Etappen wird das Gerüst abmontiert und zu Boden gelassen. Am Nachmittag gibt’s dann tatsächlich den unverstellten Blick auf den Dom – unter tiefblauem Himmel.

Das Hängegerüst war 2011 installiert worden, weil es Steinschlag gegeben hatte – nicht ungefährlich, da unten ständig Leute vorbeigehen. Ursache für den Steinabsturz war die Verwendung von Eisen in den sogenannten Filialtürmchen, mit denen die Ecken des Turms verziert sind. «Eisen rostet, kann zu Steinsprengungen führen, und das ist der Grund, warum wir an den ganzen Turmecken diese Eisen- gegen Edelstahl-Bewehrungen austauschen, die nicht mehr rosten können», erklärt Dombaumeister Füssenich. Bei der Gelegenheit wurden gleich auch Kriegsschäden ausgebessert und zwei mehr als drei Meter hohe Engelsfiguren ersetzt.

Bis zum Jahr 2023 soll nun erst einmal freie Sicht auf den Dom herrschen. Dann allerdings wird es wieder ein neues Gerüst geben. Viele fragen sich, warum das sein muss: Andere Bauwerke wie etwa Big Ben in London werden doch auch nur für ein paar Jahre eingerüstet und erstrahlen dann auf Jahrzehnte in neuem Glanz. Warum geht das in Köln nicht auch so?

Die Antwort von Peter Füssenich: «Der Kölner Dom ist ein so filigranes Bauwerk mit so vielen Oberflächen, Tausenden von kleinen Filialtürmen, dass immer etwas zu tun ist. Die Kölner sagen: ‚Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter.‘ Ich kann Ihnen versprechen: Die nächsten Jahrzehnte passiert das auf jeden Fall nicht.»

Von Christoph Driessen, dpa

Von