Nach Schätzungen des Branchenverbands Road Haulage Association fehlen etwa 100.000 Lastwagenfahrer. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Gollnow/dpa)

Die Asphalt-Romantik der 70er Jahre hat längst ausgedient: Frei, unabhängig und verwegen fühlt sich heute wohl kaum noch ein Lastwagenfahrer oder eine -fahrerin hinterm Steuer eines 40-Tonners.

Zeitdruck, mangelnder Respekt, Einsamkeit und schlechte Bezahlung prägen stattdessen das Bild der Logistikbranche, die deswegen unter anderem mit Youtube- und Instagram-Kampagnen händeringend um Nachwuchs wirbt. 35.000 Fahrerinnen und Fahrer scheiden jedes Jahr aus dem Beruf aus, nur 15.000 neue werden in Deutschland ausgebildet. Seit Jahren klagt die Branche über den Fachkräftemangel.

Gründe dafür gibt es viele: «Zum einen liegt es an den formalen Ausbildungsbedingungen für Unternehmen und Beschäftigte, die starr sind», sagt Maximilian Pretzel, Sprecher beim Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). «Aber es haben sich auch die Ansprüche junger Fahrerinnen und Fahrer etwa an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verändert.» An den Rampen bei den Verladern herrsche zudem oft ein rauer Umgangston, der auch zusetzen könne, sagt Pretzel.

Viele Fahrer kamen einst von der Bundeswehr, wo sie im Rahmen des Wehrdienstes kostenlos einen LKW-Führerschein machen konnten. Mit der Abschaffung der Wehrpflicht ist es damit vorbei.

Was passiert, wenn es zwar Lastwagen gibt, aber niemanden, der sie fährt, lässt sich aktuell in Großbritannien beobachten. Strikte Brexit-Visabestimmungen hatten dort zu einem eklatanten Fachkräftemangel in der Logistikbranche geführt. Nach Schätzungen des Branchenverbands Road Haulage Association fehlen etwa 100.000 Lastwagenfahrer. Massive Lieferprobleme bei Benzin und Lebensmitteln sind die Folge. Seit Anfang der Woche hilft die Armee aus.

Schon warnen erste Stimmen, dass hierzulande ähnliche Szenarien drohten, sollten nicht bald Mittel gegen den Fahrermangel gefunden werden: «Wir laufen auch in Deutschland in einen schleichenden Versorgungskollaps», sagt Dirk Engelhardt, Vorstand des Bundesverbands Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Schon in zwei, drei Jahren drohe eine ähnliche Situation wie in England. «Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssen daher endlich wach werden und dem Fahrermangel in einem gesamtgesellschaftlichen Kraftakt entschlossen entgegentreten.»

Doch diesen Warnungen widerspricht unter anderem die Gewerkschaft Verdi. «Ich sehe das für Deutschland nicht, dass das akut wird», sagt Stefan Thyroke, Leiter der Fachgruppe Spedition und Logistik. Kurzfristig könnte es sogar eine Entlastung auf dem kontinentalen Festland geben, weil viele Fahrerinnen und Fahrer nun aus Großbritannien in die EU kämen.

Hinzu kommt aus seiner Sicht: «Es sprechen alle vom Fahrermangel, aber damit ist nur der Fahrermangel von ortsansässig Beschäftigten gemeint.» Fahrer aus osteuropäischen Ländern kompensieren schon lange den Nachwuchsmangel der Branche in Deutschland und anderswo. Doch aus Sicht vieler Branchenexperten schafft das neue Probleme.

Viele Fahrer von osteuropäischen Speditionen führen, teils legal, teils illegal, zu den Bedingungen, die in den jeweiligen Herkunftsländern gelten, sagt Thyroke. Es gebe LKW-Fahrer, die lediglich zwei Mal im Jahr nach Hause kämen. Deutsche Speditionen geraten so unter Lohndruck, die Bezahlung bleibt niedrig, der Fachkräftemangel wird verschärft.

Mit der EU-Entsenderichtlinie sollen seit einigen Jahren viele ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ausbeutung und Niedriglöhnen geschützt werden. Die Regelungen wurden nachgeschärft, so dass sie bald auch für mehr Fernfahrer gelten sollen. «Doch die Realität ist eine andere», sagt BGL-Vorstand Engelhardt. Um die Regeln durchzusetzen, brauche es vor allem digitale Kontrollmöglichkeiten etwa der Fahrtenschreiber.

Aber könnten nicht auch die Unternehmen mehr für die eigene Attraktivität tun? Kostenlose Führerscheinpakete im Rahmen der Ausbildung etwa? Nur in Ausnahmefällen etwa übernähmen sie die Kosten der teuren, aber notwendigen Weiterbildungen für Lastwagenfahrer, kritisiert Thyroke von Verdi. Für Mittelständler alles zu teuer, sagt Engelhardt. Mehr als 10.000 Euro würden Führerschein und Grundqualifikationen für den Berufseinstieg zusammen kosten. Ändern müssten sich vor allem die Rahmenbedingungen und das Image des Berufs. Dann kämen auch die jungen Leute wieder zurück.

Von Matthias Arnold, dpa

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