Geschäftssinn und soziale Ader: Götz Werner schuf seit den 70er Jahren aus dem Nichts ein Drogerie-Imperium. Mit der Einführung des Discounterprinzips verdiente der Gründer der Karlsruher Drogeriemarktkette dm viel Geld.
Doch im Mittelpunkt stand für den Vorkämpfer eines bedingungslosen Grundeinkommens etwas anderes: «Die Menschen und deren Bedürfnisse.» Wenn man sich danach richte, so sagte er einmal, könne man Erfolg gar nicht verhindern.
Vorzeige-Unternehmer mit sozialem Touch
Am Dienstag starb Werner im Alter von 78 Jahren. Seine Familie teilte mit, dass seine Kräfte in den vergangenen Monaten kontinuierlich nachgelassen hätten. Werner wohnte mit seiner Frau Beatrice in Stuttgart. Er hinterlässt sieben Kinder und mehrere Enkel.
Götz Werner wurde am 5. Februar 1944 in Heidelberg als Sohn eines Drogisten geboren. Der Weg vom «Zahnpasta-Verkäufer» (Werner über Werner) zum Vorzeige-Unternehmer mit sozialem Touch war nicht unbedingt vorhersehbar: «In der Schule sitzengeblieben, nach elf Schuljahren abgegangen. Deutscher Jugendmeister im Rudern, Drogist gelernt, Prokurist geworden. Verstoßener Sohn. Realträumer. Gründer wider Willen», beschrieb er den Werdegang in seiner Biografie.
Seinen Aufstieg verdankte er einer Niederlage: Sein Vater hielt nichts von den «spinnerten» Ideen des Sohnes und schmiss den 28-Jährigen aus dem Geschäft. Rückblickend ein Glücksfall: Im Sommer 1973 eröffnete Werner in Karlsruhe seinen ersten Selbstbedienungs-Drogeriemarkt (dm) – auf dreifacher Fläche und mit stark reduziertem Sortiment im Vergleich zu herkömmlichen Drogerien.
«Lernlinge» statt Lehrlinge
Von da an ging es fast nur bergauf: Dm expandierte, setzte auf Allianzen, früh auf Bio und auf eine etwas andere Mitarbeiterführung. Kundenorientierung, Gewinnbeteiligung, das Unternehmen als sozialer Organismus mit «Lernlingen» statt Lehrlingen und Theater-Workshops. Auch nach seinem Ausscheiden als dm-Chef 2008 besuchte Werner regelmäßig und unangemeldet seine Filialen – um ein Schwätzchen zu halten und nach dem Rechten zu sehen.
Branchenkenner bescheinigten dem Anthroposophen und Goethe-Fan, all das richtig gemacht zu haben, was sein langjähriger Konkurrent Schlecker falsch machte. Europaweit beschäftigt dm mehr als 66 000 Mitarbeiter (Stand 30. September), davon knapp 43 000 in Deutschland, hat fast 4000 Märkte und erzielt einen Jahresumsatz von über 12 Milliarden Euro. Unternehmenschef ist seit September 2019 sein Sohn Christoph.
Das Lebenswerk imponiert sogar seinem schärfsten Rivalen, Dirk Roßmann, der zu Götz Werners 75. Geburtstag sagte: «Sein Wissen, sein Ideenreichtum und die jahrzehntelange Verbundenheit zu ihm hat mir immer viel bedeutet.»
Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens
In den letzten Jahren war Werner vor allem als unermüdlicher Vorkämpfer für das bedingungslose Grundeinkommen unterwegs. Das «Einkommen für alle» – so der Titel seines Buches – hatte für ihn etwas mit der Würde des Menschen zu tun. «Angesichts des Überflusses, in dem wir leben, müssen wir unverzüglich handeln und unseren Sozialstaat so gestalten, dass jeder menschenwürdig leben kann.» Altersarmut war für ihn grober Undank. «Unser Wohlstand wurzelt in der Leistungsbereitschaft früherer Generationen.» In Hunderten von Vorträgen, Diskussionen und Interviews propagierte er sein Herzensthema.
Seit Herbst 2018 war Werner aus gesundheitlichen Gründen kürzer getreten. Sein größter Wunsch war: «Dass meine Ideen als Unternehmer und Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens fortwirken und zu einer lebenswerten Welt beitragen.»