Diesel teurer als Benzin
Die Preise für Diesel und Benzin werden an einer Tankstelle angezeigt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sebastian Gollnow/dpa)

Russlands Krieg gegen die Ukraine treibt die Spritpreise in Deutschland täglich auf neue Rekordhöhen.

Bundesweit kostete ein Liter Super E10 am Sonntag im Durchschnitt schon 1,965 Euro – und Diesel war wegen der hohen Nachfrage nach Heizöl sogar noch zwei Cent teurer mit 1,984 Euro, wie der ADAC am Montag mitteilte. Dass die Zwei-Euro-Marke jetzt überschritten werde, dürfte niemanden mehr überraschen, sagte ADAC-Kraftstoffmarktexperte Jürgen Albrecht: «Wir sehen auch heute eine klar steigende Tendenz an den Tankstellen.»

Lindner: Vorerst keine weitere Entlastung

Die Bundesregierung plant trotz der explodierten Spritpreise derzeit keine weiteren Entlastungen der Bürger. «Ich schließe für die weitere Entwicklung dieses Jahres nichts aus. Zum jetzigen Zeitpunkt steht aber keine neue Entscheidung an», sagte Finanzminister Christian Lindner in Berlin. Der Staat könne steigende Kosten für Energieimporte nicht auf Dauer kompensieren, sondern allenfalls zeitweilig dämpfen und sozial ausbalancieren.

Bislang sind neben der Unterstützung besonders Bedürftiger vor allem steuerliche Entlastungen geplant, die sich allerdings erst im kommenden Jahr im Geldbeutel der Bürger auswirken werden. Die Mittel des Staates seien limitiert, betonte Lindner. Deshalb müssten weitere Maßnahmen genau abgewogen werden.

«Wir müssen gemeinsam erkennen, dass es auch unser Beitrag zur Solidarität mit der Ukraine ist, negative wirtschaftliche Auswirkungen in Kauf zu nehmen», sagte er.

Grünen-Chef Omid Nouripour dagegen geht davon aus, dass weiter Entlastungen nötig sind, um die Energiepreise «für schwache Portemonnaies» auszubalancieren. «Dafür braucht es frisches Geld», sagte er. Das wiederum bringe die Frage mit sich, wie die Schuldenbremse eingehalten werden könne. «Da sind wir sehr gespannt, wie das bewerkstelligt werden soll.»

Lindner betonte, die Bundesregierung dringe darauf, Importe von Gas, Öl und Kohle aus Russland nicht initiativ zu unterbinden, um Bürger und Wirtschaft nicht noch weiter zu belasten. Die Option liege natürlich auf dem Tisch. «Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es für die Durchhaltefähigkeit der Sanktionen gegenüber Wladimir Putin aber ratsam, diesen Schritt nicht selbst zu gehen.» Man müsse vermeiden, dem russischen Präsidenten langfristige strategische Vorteile zu geben.

Benzin normalerweise teurer

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar ist Super E10 bereits um 21 Cent teurer geworden, der Dieselpreis ist sogar um 32 Cent emporgeschnellt. Dass Diesel in Deutschland teurer ist als Benzin, ist sehr selten, sagte Albrecht. Denn Diesel werde deutlich weniger besteuert und normalerweise werde der Preisabstand zum Superbenzin im März sogar wieder größer. Aber seit vergangener Woche sei die Nachfrage nach Heizöl plötzlich stark gestiegen, weil viele Hausbesitzer Lieferprobleme fürchteten und sich mit Blick auf den nächsten Winter trotz der hohen Preise jetzt eindeckten.

Auf der anderen Seite haben die Importeure die Einfuhr von Diesel aus Russland zurückgefahren, wie der für Raffinerien und Markentankstellen zuständige Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) erklärte. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland noch vier Millionen der hierzulande verbrauchten 35 Millionen Tonnen aus Russland bezogen – also ein Neuntel der Gesamtmenge. «Diesel bleibt verfügbar, wird aber knapper», sagte Verbandssprecher Alexander von Gersdorff.

Entspannung bei den Spritpreisen ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Ein möglicher Importstopp für Öl aus Russland trieb die Ölpreise zum Wochenauftakt auf den höchsten Stand seit 2008. Im frühen Handel stieg der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent um 18 Prozent auf über 139 Dollar und damit in die Nähe des Rekordniveaus von knapp 150 Dollar vom Sommer 2008. Der Anstieg des Ölpreises beschleunigte sich in den vergangenen Tagen. Der starke Dollar verteuerte Öl und damit Diesel und Benzin für die Kunden in Deutschland und der Euro-Zone zusätzlich.

ADAC: Eher abends tanken

Der ADAC berichtete von wachsender Sorge vieler Menschen, die auf das Auto angewiesen sind: «Das hören wir von unseren Mitgliedern immer wieder», sagte Albrecht. Er rät Autofahrern, besser abends als frühmorgends zu tanken. Im Tagesverlauf schwanke der Benzinpreis an ein und derselben Tankstelle um die 7 Cent. Freie Tankstellen seien oft billiger als Markentankstellen. Auf den Autobahnen sei das Tanken oft um die 20 oder sogar 30 Cent teurer. Bundesweit stellt der ADAC auch regionale Preisunterschiede von 5 oder 6 Cent fest. Grund sei der mehr oder weniger intensive Wettbewerb und das Verhalten der Kunden, sagte der Marktexperte. Vor zehn Jahren sei Diesel auch einmal teurer gewesen als Benzin, aber das sei eine große Ausnahme. «Das wird nicht dauerhaft so bleiben.»

Russland steht für etwa 10 Prozent der weltweiten Ölförderung. US-Außenminister Antony Blinken brachte wegen der weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs neue Strafmaßnahmen gegen Russland ins Spiel: Washington berate mit europäischen Verbündeten über einen möglichen Importstopp für Öl aus Russland.

Dekabank-Rohstoffexpertin Gabriele Widmann rechnet mit dauerhaft höheren Energiepreisen, weil günstige Energie aus Russland jetzt Vergangenheit sei. «Es kann im Extremfall sein, dass wir bis zu drei Euro pro Liter Sprit zahlen müssen», sagte sie dem Sender RTL/ntv.

Der Rohölpreis macht zwar nur einen Teil der Kosten an der Zapfsäule aus. Bei einem Super-E10-Preis von 1,96 Euro entfallen in Deutschland etwa 1,05 Euro auf Steuern und Abgaben. Trotzdem ist derzeit der Ölpreis der stärkste Preistreiber. Ein Anstieg des Ölpreises um einen Dollar macht fast einen Cent bei Benzin oder Diesel aus. Der Ölpreis ist laut Gersdorff seit Kriegsbeginn um rund 20 Dollar je Barrel gestiegen.

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