Im Juli 2022 beendete die EZB ihre Politik der Null- und Negativzinsen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Frank Rumpenhorst/dpa)

Von Kreditnehmern ersehnt, von Sparern befürchtet: Die Euro-Währungshüter senken nach einer Serie von Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation wieder die Leitzinsen im Euroraum. Nach knapp neun Monaten auf Rekordhoch verringert die Europäische Zentralbank (EZB) den Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent. Der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, wird von 4,5 Prozent auf 4,25 Prozent gesenkt.

Warum hat die EZB die Zinsen zuvor so stark erhöht?

Im Juli 2022 beendete die EZB ihre jahrelange Politik der Null- und Negativzinsen, um die zeitweise auf Rekordhöhe gekletterte Inflation in den Griff zu bekommen. Zehnmal in Folge schraubte die Notenbank in der Folge die Zinsen nach oben, ehe sie eine Pause einlegte. Den Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, schraubten die Währungshüter auf den höchsten Stand seit August 2001. Der Einlagenzins erreichte sogar das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999.

Kommt jetzt die Trendwende?

In den vergangenen Monaten ist die Teuerung tendenziell gefallen, was Spielraum für Zinssenkungen eröffnet. Denn höhere Zinsen sorgen zwar einerseits dafür, dass Kredite mehr kosten, was die Nachfrage bremsen und hohen Inflationsraten entgegenwirken kann. Zugleich aber sind teurere Finanzierungen eine Last für Unternehmen und private Investoren. Angesichts der schwächelnden Konjunktur und zurückgehender Inflationsraten mehrten sich zuletzt Forderungen, die Zinsen wieder zu senken. Seit Monaten bereiten die Euro-Währungshüter die Märkte auf einen ersten Zinsschritt nach unten im Juni vor. Vieles spreche «für eine Senkung um 25 Basispunkte», hatte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos jüngst in einem Interview gesagt. Und so kam es dann auch am Donnerstag.

Was bedeutet eine Zinssenkung für Sparer?

«Wenn eine Zinsentscheidung weithin erwartet wird, passen sich die Marktpreise schon im Vorfeld an. Das heißt: Wenn die Zinsentscheidung gemäß der allgemeinen Erwartung fällt, dann dürfte sich eigentlich nichts ändern, weil das bereits eingepreist ist», sagte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel jüngst ARD Plusminus und tagesschau.de.

Wer jetzt Geld für einen längeren Zeitraum anlegen möchte, bekommt bei vielen Geldhäusern schon nicht mehr so hohe Zinsen wie noch vor ein paar Monaten. Brachten bundesweit verfügbare Festgelder mit einem Jahr Laufzeit im Dezember noch durchschnittlich 3,34 Prozent Zinsen, so sind es aktuell noch 2,98 Prozent, wie das Vergleichsportal Verivox errechnet hat. Verivox hat die Konditionen von etwa 800 Banken und Sparkassen für eine Anlagesumme von 10.000 Euro ausgewertet (Stichtag: 1.6.2024).

Auch mit den Tagesgeldzinsen geht es der Verivox-Auswertung zufolge weiter nach unten: Im Mai sanken die Durchschnittszinsen bundesweit verfügbarer Tagesgeldangebote den zweiten Monat in Folge auf 1,72 Prozent. «Die Tagesgeldzinsen haben ihren Zenit überschritten», sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Maier hatte bereits vor der EZB-Zinssenkung prognostiziert, Sparerinnen und Sparer müssten sich in diesem Fall darauf einstellen, «dass auch die Tagesgeldzinsen noch deutlicher als bisher sinken werden».

Profitieren Kreditnehmer?

Die Bauzinsen, die sich an der Verzinsung von Bundesanleihen orientieren, sind bereits gefallen: Für zehnjährige Kredite waren nach Angaben der FMH-Finanzberatung zuletzt 3,66 Prozent pro Jahr fällig (Stand: 3.6.2024), Ende Oktober waren es noch mehr als vier Prozent. Das verbilligt Immobilienfinanzierungen. «Wer heute einen Immobilienkredit aufnimmt, zahlt schon jetzt weniger Zinsen als noch vor einigen Monaten. Denn die Marktakteure erwarten schon länger, dass die Zinsen im Juni gesenkt werden», erläuterte Schnabel.

Welchen Kurs wird die EZB nun einschlagen?

«Wir legen uns nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest», betonte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel als Mitglied des EZB-Rates hatte bereits zuvor betont, aus einer ersten Zinssenkung könne man keine «Art Autopilot» ableiten, bei dem gleich die nächste Zinssenkung folgen müsse. Es gelte, die Preisentwicklung von Sitzung zu Sitzung zu beobachten. Die EZB strebt für den Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Inflation von zwei Prozent an. Diese Zielmarke wird nach neuesten Prognosen der Notenbank 2026 erreicht.

Für den vorsichtigen Kurs gibt es viel Lob. «Das schlimmste Szenario wäre ein erneuter Anstieg der Inflation, der die EZB zwingen würde, zu weitgehende Zinssenkungen zurückzunehmen. Das würde Vertrauen und Berechenbarkeit beschädigen», sagte Sparkassenpräsident Ulrich Reuter. Volkswirte, wie Andreas Bley vom Bankenverband BVR, rechnen mit höchstens zwei weiteren Zinsschritten nach unten im laufenden Jahr ab September. Die Geldpolitik müsse jedoch wachsam bleiben und die Entwicklung der Löhne und der Dienstleistungspreise besonders im Blick behalten.

Von Jörn Bender und Friederike Marx, dpa

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