FTI-Pleite ordnet boomenden Reisemarkt neu
Europas drittgrößter Reisekonzern FTI hat einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München gestellt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sven Hoppe/dpa)

Nach der Pleite von Europas drittgrößtem Reiseveranstalter FTI rechnet die Branche mit einer Neuordnung des Marktes. «Die Leute werden trotz der FTI-Insolvenz reisen und der Milliardenkuchen wird unter den anderen Veranstaltern aufgeteilt», ist sich Tourismusexperte Torsten Kirstges von der Jade Hochschule mit Sitz in Wilhelmshaven sicher. Davon könnten Konkurrenten wie Tui und DER Touristik profitieren. Denn insgesamt stehe der Reisemarkt gut da.

Erste Wettbewerber bringen sich bereits in Stellung: Europas größter Reiseveranstalter Tui hat angekündigt, das eigene Angebot auszubauen und wirbt mit Rabatten und einem befristeten Verzicht auf Anzahlungen um Kunden des Konkurrenten. «Wir werden unsere Kontingente aufstocken», berichtet ein Tui-Sprecher. Sowohl bei Hotelbetten als auch bei Flugsitzen wollen man zulegen und Kapazitäten des insolventen Konkurrenten übernehmen. «Die Kapazitäten werden ja jetzt frei.» Erste Hoteliers, die bisher bei FTI unter Vertrag waren, hätten bereits bei Tui angefragt, so der Sprecher.

Branche arbeitet an Schadensbegrenzung

Europas drittgrößter Reisekonzern hatte am Montag Insolvenzantrag beim Amtsgericht München gestellt. Für die Branche ist es der größte Rückschlag nach der Pleite von Thomas Cook 2019. «Es ist wichtig, dass die anderen Anbieter jetzt dafür sorgen, das Vertrauen wiederherzustellen», betont der Tui-Sprecher. Anders als bei Thomas Cook gebe es inzwischen aber den Deutschen Reisesicherungsfonds, der die Ausfälle absichert. Urlauber können daher bei Pauschalreisen von der Erstattung ihrer Zahlungen ausgehen.

Anders als FTI haben Tui und der Branchenzweite DER Touristik die Corona-Pandemie inzwischen verdaut und profitieren von der wieder anziehenden Reiselust der Deutschen. Im vergangenen Geschäftsjahr vermeldeten beide Konzerne wieder deutlich steigende Buchungszahlen und Zuwächse bei Umsatz und Gewinn. Tui-Chef Sebastian Ebel zeigte sich zuversichtlich, in diesem Jahr weiter zulegen zu können. Bei den Buchungen für den Sommer liege man bereits deutlich über Vorjahresniveau. «Urlaubsreisen haben nach wie vor eine hohe Priorität bei unseren Kunden. Das ist stabiler, als wir gedacht hätten», so Ebel.

Neue Kunden von FTI könnten nun für weiteren Schub sorgen. «Auch wenn wir schon vielversprechend in den Sommer gestartet sind, werden wir in den nächsten Tagen noch einmal zusätzliche attraktive Angebote mit den Hoteliers in den Zielgebieten zusammenstellen», betont Tui-Deutschland-Chef Stefan Baumert. Dabei nehme man gezielt Regionen ins Programm in denen FTI bisher stark war, allen Ägypten, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Kreuzfahrten boomen

Insgesamt steht die Branche nach Einschätzung von Experten wieder gut da. Zwar drückten Schulden und Bankkredite aus der Corona-Krise, sagt Experte Kirstges. «Aber es wird stark gereist, hochpreisige Reisen liegen im Trend, Kreuzfahrten boomen wieder.» Tui hatte zuletzt gemeldet, dass die eigenen Schiffe im Sommer bereits fast komplett ausgebucht seien. Auch sonst würden die Kunden wieder mehr Geld für Urlaub ausgeben.

Dass FTI nun trotzdem am Ende sei, liege auch an dessen Geschäftsmodell. «FTI war eher preisaggressiv und hat relativ wenig verdient pro Reise bei einer vergleichsweise schwachen Eigenkapitalausstattung», erläutert Kirstges. Vor allem die Reiseverbote in der Corona-Pandemie hätten das Unternehmen schließlich in große Schwierigkeiten gebracht.

Die Reisebeschränkungen während der Pandemie hatte der gesamten Branche schwer zu schaffen gemacht. Tui und FTI mussten vom Staat mit Milliarden gerettet werden. Anders als FTI konnte der börsennotierte Tui-Konzern die Staatshilfen inzwischen dank einer Kapitalerhöhung zurückzahlen. Der Reisekonzern DER Touristik, hinter dem der finanzstarke Handelsriese Rewe steht, kam ohne Staatshilfe aus. Bei FTI stand die Rückzahlung des Großteils der knapp 600 Millionen Euro Staatshilfe weiter aus.

FTI-Pleite trifft Lufthansa-Tochter Discover

Die Pleite des Reisekonzerns FTI trifft auch die Lufthansa-Ferienfluggesellschaft Discover Airlines. Discover-Vorstandschef Bernd Bauer sagte in München: «FTI ist ein ganz wichtiger Partner für Discover.»

Welche Folgen die Insolvenz für den Ferienflieger und für die Lufthansa-Gruppe insgesamt habe, werde gerade geprüft. Zahlen könne er noch nicht nennen.

65.000 Urlauber betroffen

In der Branche war zu hören, dass um die 65.000 Urlauber derzeit mit FTI im Ausland unterwegs seien. «Spätestens jetzt zeigt sich, dass wir aus der Pleite von Thomas Cook 2019 die richtigen Lehren gezogen und mit dem Reisesicherungsfonds ein vernünftiges Instrument geschaffen haben», sagt der tourismuspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Stefan Schmidt. «Daher bin ich zuversichtlich, dass wir die Pleite besser managen werden als die letzte große Pleite in der Tourismusbranche 2019.»

Der Bund hatte am Montag weitere Staatshilfen für FTI abgelehnt. «Aus Steuerzahlersicht ist es richtig, dass FTI nicht gerettet wird», betont der FDP-Bundestagsabgeordnete Tim Wagner, der Mitglied des Tourismusausschusses ist. «Das Unternehmen war seit längerem angeschlagen.» Andere Reiseveranstalter hätten es aus eigener Kraft geschafft. «Dass es FTI trotz eines hohen Umsatzes und einer guten Auftragslage nicht geschafft hat, sich zu erholen, ist auch ein Indiz für ein mangelhaftes Konzept mit fragwürdiger Preispolitik.»

Betroffen sind viele FTI-Urlauber in Griechenland. «Nach Angaben von FTI befinden sich derzeit 7500 Touristen in etwa 250 Hotels im Land», berichtet Yannis Hatzis, Präsident des griechischen Hotelverbands, auf der Plattform X (ehemals Twitter). Griechischen Medienberichten zufolge schuldet FTI den Hotels Zahlungen in Höhe von rund 1,8 Millionen Euro. Das ist nichts im Vergleich zur Insolvenz von Thomas Cook im Jahr 2019 – damals beliefen sich die ausstehenden Zahlungen gegenüber den Hotels auf rund 200 Millionen Euro.

Von Frank Johannsen und Friederike Marx, dpa

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