Der Dramatiker und Regisseur wurde 1962 im hessischen Friedberg geboren. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa)

Er kannte die Berliner Volksbühne wie kaum ein anderer, als er die Leitung des Hauses übernahm: Nun ist Intendant René Pollesch im Alter von 61 Jahren gestorben. Sein Tod am Montag sei völlig plötzlich und unerwartet gewesen, teilte das Theater am Abend mit. Zu den genauen Todesumständen machte die Sprecherin der Volksbühne, Lena Fuchs, zunächst keine Angaben. «Wir sind alle geschockt», sagte sie der dpa. Pollesch war einer der großen Dramatiker und Regisseure der deutschen Theaterszene.

In seinen Stücken gab es oft weder geradlinige Handlungen noch klassische Figuren. Diese «Ölspur einer kohärenten Figur, auf der man dann so Schlitten fährt im Repräsentationstheater», langweile die meisten Schauspielenden, hatte Pollesch mal der Wochenzeitung «Die Zeit» gesagt. «Bei uns muss niemand anderthalb Stunden lang eine einigermaßen logische und kohärente emotionale Darstellung zeigen. Das schafft man ja selbst im Leben kaum.»

Seine Theatertexte hatten gleichzeitig eine Leichtigkeit und eine Komplexität, die zusammen manchmal schwer zu überbrücken waren. Wenn Pollesch dann wieder ein altes Lied einspielte – Kate Bushs «Running Up That Hill» oder «Drive» von The Cars zum Beispiel – waren die Zuschauer manchmal noch damit überfordert, zu begreifen, was sie gerade gehört hatten.

200 Stücke – unter anderem in Wien, Berlin und München

Der Dramatiker und Regisseur wurde 1962 im hessischen Friedberg geboren. An der Universität Gießen studierte er Angewandte Theaterwissenschaften, zu seinen Lehrmeistern gehörten George Tabori und Heiner Müller. Pollesch arbeitete an vielen Bühnen, experimentierfreudig inszenierte er eigene Stücke und machte auch schon mal ein Autokino zum Theater. Seine eigenen Stücke inszenierte er unter anderem am Burgtheater Wien, am Deutschen Theater Berlin und an den Münchner Kammerspielen. Er schrieb über 200 Stücke, meist eher kurze Werke.

Für seine Arbeit wurde Pollesch mehrfach mit Preisen ausgezeichnet. Er erhielt unter anderem 2001 und 2006 den Mülheimer Dramatikpreis. Zuletzt wurde ihm 2019 in Wien der Arthur-Schnitzler-Preis verliehen.

Die Themen, die Pollesch aufgriff, reichten vom vermeintlich Banalen zum angeblich Großen. In «(Life on earth can be sweet) Donna» am Deutschen Theater zum Beispiel ließ er die Figuren über die Drehbühne und das epische Theater nachdenken, über Einkaufszentren und Freundschaften, über Autounfälle und Kapitalismus. Und in einem legendären Abend bespielte er mit Schauspieler Fabian Hinrichs den Friedrichstadt-Palast. Das Stück hieß «Glauben an die Möglichkeit der völligen Erneuerung der Welt». Es war einer der Abende, auf den nicht nur das deutsche Feuilleton schaute.

Ein Macher, der die Volksbühne seit Langem kannte

Dass Pollesch Intendant der Volksbühne wurde, war aus Sicht manch langjähriger Anhänger des Theaters denn auch eine gute Nachricht. Nach einem Vierteljahrhundert Frank Castorf gab es viel Protest gegen den Belgier Chris Dercon als Nachfolger, der seinen Posten denn auch bald wieder abgab. Nach einer Zwischenlösung mit Klaus Dörr übernahm dann Pollesch. Mit dem Sohn eines Hausmeisters zog ein Macher am Rosa-Luxemburg-Platz ein, der das Theater seit Langem kannte: Unter Castorf war Pollesch bereits viele Jahre zuvor an der Volksbühne gewesen. Das Theater gilt als eigenwilliges Haus mit starken Charakteren.

Pollesch arbeitete mit Schauspielern wie Martin Wuttke, Fabian Hinrichs, Kathi Angerer und Sophie Rois. Seine erste Spielzeit als Intendant des Theaters eröffnete er im September 2021 mit der Uraufführung von «Aufstieg und Fall eines Vorhangs und sein Leben dazwischen».

Bei der Verkündung seines neuen Postens saß er damals im Jahr 2019 auf der Bühne mit den üblichen Klamotten: Jeans, Jacke, Brille. Er holte einen Zettel heraus und erzählte, wie er sich seine Intendanz vorstelle. Man müsse sich keine Sorgen machen, sagte Pollesch, er sei nie alleine. Er sei auch als Regisseur und Autor nie alleine.

In seinem Papier stand auch, was man fortsetzen könne an der Volksbühne, nämlich «weiterhin nicht alles richtig zu machen»: «Ganz klarzustellen, dass man kein Theater managen wird, dass man nicht wie allerorten Theatereröffnungsfeste feiert, außer fürs Personal, keine Spielzeithefte herausgibt, sich nicht ordentlich verhält und nicht alles macht, was so erwartet wird.»

Von Julia Kilian und Sigrun Stock, dpa

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