Die Reisebranche in Deutschland sieht sich nach der Corona-Krise vor neuen Herausforderungen angesichts der hohen Inflation. «2023 wird sicher kein Selbstläufer werden», sagte der Präsident des Reiseverbandes DRV, Norbert Fiebig, am Mittwoch in Berlin.
Die entscheidende Frage sei, «wie viel die Leute noch im Portemonnaie haben werden.» Die Konsumnachfrage dürfe nicht abreißen. Urlauber müssen sich Fiebig zufolge auch auf steigende Preise bei Veranstalterreisen einstellen. «Mittel- und langfristige kann sich die Reiseindustrie nicht von der inflationären Entwicklung abkoppeln.»
In der bevorstehenden Wintersaison profitierten Kunden noch von langfristig abgeschlossenen Verträgen, erläuterte der DRV-Präsident. In der Sommersaison stiegen die Ausgaben pro Person und Nacht im Schnitt um 15 Prozent, auch weil Urlauber sich den Angaben zufolge nach zwei Pandemie-Jahren mehr gönnten.
Dank starker Nachfrage im Sommer arbeiteten sich Reisebüros und Veranstalter aus dem Corona-Tief. Nach Einschätzung des DRV dürfte das Umsatzniveau der Vor-Corona-Zeit 2019 in der zu Ende gehenden Sommersaison (Mai bis Oktober) annähernd erreicht werden. Die Wintersaison, die noch von Corona-Reisebeschränkungen geprägt war, verhagelt allerdings die Bilanz des gesamten Touristikjahres 2021/22. «Die deutlich angezogene Nachfrage in den vergangenen Monaten zeigt, dass die Reisewirtschaft auf Erholungskurs, aber noch längst nicht über den Berg ist», sagte Fiebig.
Auch für den Winter sieht es besser aus
Bei Buchungen bis einschließlich Ende August ergibt sich demnach noch ein Umsatzminus von 14 Prozent gegenüber dem Gesamtjahr 2018/19. Hoffnung macht der Branche trotz Rekordinflation die Nachfrage für die Herbstferien, die noch zur Sommersaison zählen. Besonders beliebte Ziele seien im Herbst Spanien, vor allem die Kanaren und die Balearen, gefolgt von der Türkei und Griechenland sowie Ägypten.
«Der bevorstehende Reisewinter wird im Vergleich zur Wintersaison vor einem Jahr aller Voraussicht nach deutlich besser werden», erwartet Fiebig zudem. Nach Daten des Analysehauses TDA liegen die Umsätze dafür aktuell um 74 Prozent höher als vor einem Jahr. Die meisten Reiseländer, gerade auch auf der Fernstrecke, hätten keine Einreisebeschränkungen oder nur noch geringe Corona-Auflagen.
Eine Prognose für das Anfang November beginnende neue Tourismusjahr 2022/2023 gab Fiebig nicht ab. «Abzuwarten bleibt derzeit, wie sich die Konsumneigung der Deutschen in den nächsten Wochen vor dem Hintergrund der steigenden Inflation entwickelt und wie hoch das frei zur Verfügung stehende Haushaltseinkommen sein wird.»