Vor ihren völlig begeisterten Fans holten sich die Leverkusener Überflieger schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf die mögliche Meisterparty am Wochenende ab. Euphorisch besangen die Fans ihre Helden, die nach dem nächsten Sieg im Takt klatschten. Trainer Xabi Alonso reckte jubelnd beide Fäuste Richtung Tribüne. Der Bundesliga-Spitzenreiter hat seine verrückte Serie auch in der Europa League fortgesetzt und einen großen Schritt Richtung Halbfinale gemacht.
Die Mannschaft von Alonso besiegte West Ham United im Viertelfinal-Hinspiel durch zwei späte Tore der eingewechselten Jonas Hofmann und Victor Boniface mit 2:0 (0:0). Leverkusen blieb damit auch im 42. Pflichtspiel der Saison ungeschlagen.
Vor 30.210 Zuschauern im heimischen Stadion rannte Bayer lange gegen das Bollwerk der Engländer an. Erst in der Schlussphase trafen Hofmann (83.) und Boniface (90.+1) für die überlegene Werkself. Die Partie soll die Ouvertüre für große Feiertage sein: An diesem Wochenende können die Rheinländer die erste deutsche Fußballmeisterschaft in ihrer Vereinsgeschichte perfekt machen.
«Jetzt hat jeder Gänsehaut bekommen»
«Es hat alles gepasst beim Tor», sagte Torschütze Hofmann beim TV-Sender RTL und blickte bereits auf das Wochenende und den möglicherweise letzten Schritt zum Titel: «Man erlebt das schon seit einigen Wochen, wie die Fans drauf sind. Jetzt hat jeder Gänsehaut bekommen. (…) Wir müssen ruhig bleiben. Wir spielen zu Hause gegen Werder. Da ist es generell unser Anspruch zu gewinnen. Vor dem Hintergrund, was am Sonntag passieren kann und dass wir Geschichte schreiben können, das hört sich alles so geil an. Deshalb sind wir Spieler aber auch gewarnt. Vielleicht können wir am Sonntag etwas Großes feiern. Es werden nicht viele Menschen Deutscher Meister. Das hätten wir uns auch verdient, wenn wir es am Sonntag schaffen.»
Trainer Alonso war nach dem nächsten Erfolg sehr zufrieden. «Wir wollten bereit sein, wir waren bereit», sagte der Baske. Trotzdem sei das Weiterkommen aber noch längst nicht sicher: «Es ist ein gutes Ergebnis, aber es ist nicht vorbei.»
In der womöglich größten Woche der Clubgeschichte hatte Alonso die volle Konzentration auf das internationale Geschäft gefordert. Entsprechend ging sein auf sieben Positionen verändertes Team – nur die Stars Granit Xhaka, Florian Wirtz, Jonathan Tah und Alejandro Grimaldo blieben im Vergleich zum Spiel bei Union Berlin in der Startelf – die Aufgabe gegen die robusten Engländer auch an.
Im Stile einer Handball-Mannschaft
Gewohnt kombinationsfreudig ließ Bayer im Stile einer Handball-Mannschaft den Ball um den Strafraum der Hammers kreisen. Der Premier-League-Club, der im Achtelfinale den SC Freiburg ausgeschaltet hatte, machte die Räume allerdings extrem eng, sodass Leverkusen trotz mehr als 60 Prozent Ballbesitz nur schwer zu klaren Torchancen kam. Dazu hatten die Gäste in Routinier Lukasz Fabianski einen sicheren Rückhalt im Tor. Der Pole war in der ersten Halbzeit bei Schüssen von Amine Adli (10.), Grimaldo (20.) und Patrik Schick (30.) zur Stelle.
Die beste Möglichkeit im ersten Durchgang hatten sogar die Hammers. Bei einem Konter kam Mohammed Kudus im Strafraum frei zum Abschluss, sein harmloser Schuss war aber kein Problem für Matej Kovar. In der Szene hätte der Conference-League-Sieger seinen verletzten Top-Torjäger Jarrod Bowen (Knie verdreht) gut gebrauchen können.
Für die größte Aufregung sorgte indes ein heftiges Einsteigen von Lucas Paqueta gegen Adli, was gleich zu einem Handgemenge führte (21.). Ein Foul, das der Video-Schiedsrichter überprüfte. Mit Gelb war der Brasilianer gut bedient. Folgen hat die Karte trotzdem, Paqueta ist im Rückspiel gesperrt. Später sah auch noch dessen Teamkollege Emerson die Gelbe Karte, womit auch der Abwehrspieler in einer Woche fehlen wird.
Alonsos Glücksgriff
So richtig in Fahrt kam Bayer auch in der zweiten Halbzeit nicht. Immer wieder wussten die Engländer das Leverkusener Angriffsspiel zu stören. Und dann war da noch Fabianski, der bei einem Kopfball von Schick großartig parierte (70.). Alonso zog alle Register, brachte unter anderem noch Stürmer Victor Boniface und Jonas Hofmann ins Spiel. Ein Glücksgriff, wie sich zeigte. Erst wurde nach einer Ecke der Schuss von Boniface noch abgeblockt, im zweiten Versuch war aber Hofmann zur Stelle. Boniface erhöhte kurz vor Schluss sogar auf 2:0.