Die Staatsministerin Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) bei der offiziellen Eröffnung des Deutschen Pavillons bei der Kunstbiennale in Venedig. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Felix Hörhager/dpa)

Ein jüdisches Raumschiff im Deutschen Pavillon und ein Haufen türkischer Erde davor: Deutschlands Beitrag bei der Kunstbiennale in Venedig ist vorgestellt worden.

Die Arbeiten der an dem Pavillon beteiligten Künstler sind allesamt verschieden, aber haben dennoch Gemeinsamkeiten. Sie alle beschäftigen sich mit Schwellen, Stufen und Grenzen – und deren Überschreitung. Im Fokus stehen dabei die israelische Künstlerin Yael Bartana und der Berliner Theaterregisseur Ersan Mondtag, die in den Giardini ausstellen.

Unter dem Titel «Thresholds» (zu Deutsch: «Schwellen») will der deutsche Beitrag den Umgang mit Schwellen, Stufen und Grenzen suchen. Ausgehend von der Gegenwart als Übergang, in dem sich Vergangenheit und Zukunft überlagern, befassen sich die Beiträge auch mit dem Motiv der Schwelle als Ort zwischen Zugehörigkeiten und Gemeinschaften.

Eine Science-Fiction-Welt

Wer das massive Gebäude des Deutschen Pavillons betritt, taucht zunächst ein in eine Art postapokalyptische Science-Fiction-Arbeit. Mit Videoanimationen und Skulpturen will die 53-jährige Bartana die gegenwärtige Realität des Planeten Erde am Rande der ökologischen und politischen Zerstörung anprangern. Ein Raumschiff mit dem Namen «Light to the Nations» (zu Deutsch: «Licht unter den Völkern», benannt nach einer Passage aus der Bibel) bringt mehrere Generationen von Menschen zu unbekannten Galaxien im Weltall. 

Diese große Reise soll der kollektiven Heilung und Erlösung dienen, wie die Künstlerin erklärt. Das Raumschiff und die Animationen sind mit jüdischen Konzepten und Traditionen verbunden. Schon der Name des Raumschiffes ist bereits eine Anspielung auf eine Passage im Buch Jesaja. Dazu kommen einige Elemente der Kabbala, also der jüdischen Mystik, etwa mit den sogenannten Sefiroth – den einzelnen Bestandteilen des Lebensbaums. Auch das Konzept «Tikkun Olam» (zu Deutsch etwa: «Reparatur der Welt») spielt hier eine Rolle.

Metapher für eine bessere Zukunft

Die Reparatur der Welt ist ein wichtiger Bestandteil des Auftrags des Raumschiffes. «Sie ist einfach eine Metapher für meinen Versuch als Künstlerin, über eine bessere Zukunft nachzudenken», sagte Bartana im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Denn ohne die Menschheit, die mit dem Raumschiff die Erde verlässt, kann sich der Planet erholen. Zudem besteht auf dem Raumschiff die Möglichkeit, dass neue Gesellschaftsformen jenseits territorialer Beschränkungen und sonstiger Schwellen und Grenzen entstehen.

«Wir haben so viel zerstört, dass wir diesen Ort verlassen müssen, damit die Erde heilen kann», sagte Bartana. Die aktuellen Zeiten – geprägt von Kriegen und Konflikten in Europa und Nahost sowie der Klimakrise – seien extrem beängstigend. «Hat die Menschheit es verdient, noch länger hier zu sein? Doch vielleicht kommt irgendwann das Raumschiff auf die Erde zurück und wir werden bessere Menschen geworden sein.»

Das Überschreiten von Schwellen und Grenzen spielt auch in Mondtags Arbeit eine zentrale Rolle. Der 37-Jährige beschäftigt sich in seinem Werk mit Migration und kollektivem Gedächtnis. Anatolische Erde liegt vor dem wuchtigen Gebäude des Pavillons, der 1938 von den Nazis erbaut wurde. Mondtag will mit seiner Arbeit der faschistischen und auf Ewigkeit gebauten Architektur des Gebäudes ein «Monument eines unbekannten Menschen» entgegenstellen.

Schwellen und Grenzen überschreiten

Die Erde aus Anatolien dient seiner Symbolik der Erde als umkämpftes Objekt territorialer Konflikte und Auseinandersetzungen. Geradezu unausweichlich fällt der Blick bei dem Gang zum Pavillon sofort auf den riesigen Erdhaufen auf den Stufen des hohen Portals. Auch hier zeigt sich das Thema des deutschen Beitrags: Schwellen und Grenzen überschreiten. 

Doch auch migrantische Biografien spielen eine Rolle. Als Enkel eines Gastarbeiters aus der Türkei, der in Berlin geboren und aufgewachsen ist, erzählt Mondtag die Geschichte seines Großvaters. Dieser kam in den 1960er-Jahren nach West-Berlin. Er war bei seiner Arbeit stets Asbest ausgesetzt. Letztlich starb er an den Folgen der harten Arbeit und dem Asbest ausgesetzt an Krebs. Ihm widmet er seine Arbeit in dem Pavillon.

Im Hauptraum des Pavillons steht ein massiver Turm, in dem sich auf drei Etagen eine Installation aus Arbeits- und Wohnräumen befindet, die das Leben eines Gastarbeiters darstellen soll. Der Marmorboden wurde gegen einen Parkettboden ausgetauscht. Mit Performern wird eine Biografie aus Arbeitswelt, Fabrik, Wohnraum und öffentlichem Raum gezeigt. Die Performer laufen durch die verschiedenen Etagen und interagieren miteinander. Im Gegensatz zu Bartanas Sci-Fi-Welt präsentiert sich Mondtags Arbeit in einer mit Rauch und Nebel durchsetzten Atmosphäre – staubige Farbtöne vermitteln das Gefühl von Eintönigkeit.

Der von der Kuratorin Çağla Ilk betreute deutsche Beitrag beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Pavillon in den Giardini, sondern wird auch auf der Insel La Certosa ausgestellt. Dort zeigen die Künstler Michael Akstaller, Nicole L’Huillier, Robert Lippok und Jan St. Werner ihre Arbeiten. Bei ihnen geht es um Klänge und deren Verwischung von Grenzen und Schwellen.

Von Robert Messer, dpa

Von