Eine Statue von William Shakespeare in der englischen Stadt Stratford-upon-Avon. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Julia Kilian/dpa)

Die Bewunderung für William Shakespeare ist auch 460 Jahre nach seiner Geburt noch groß, aber grenzenlos dann auch nicht. Shakespeares Werke haben die Jahrhunderte überdauert. In seinem Geburtsort trifft man Schulklassen, Literaturfans, Touristen und eine Anwohnerin, die das etwas abgeklärter sieht. Mit Shakespeare sei das so eine Sache, erzählt die Frau, die einen interessanten Vergleich findet.

Mit Shakespeare sei es ein wenig wie mit Marmite, dem britischen Aufstrich, der nach Maggi schmeckt – «entweder man mag ihn oder nicht». Kaum ein Schriftsteller ist weltweit so bekannt. Auch auf deutschen Bühnen werden seine Theaterstücke viel aufgeführt. Was also kann man heute noch lernen aus den Werken Shakespeares?

«Oh Gott, wo soll man da nur anfangen?», sagt Charlotte Scott vom Shakespeare Birthplace Trust, man müsse ja fast eher überlegen, was man nicht von ihm lernen könne. Die Organisation verwaltet das Geburtshaus des Dichters im englischen Stratford-upon-Avon, einer kleinen Stadt mit Fachwerkhäusern zwischen London und Birmingham.

Warum man das Geburtsdatum nur schätzen kann

Shakespeare wurde im Jahr 1564 geboren. Das genaue Datum ist nicht bekannt, vermerkt ist nur seine Taufe am 26. April. Weil es damals üblich war, Kinder schnell zu taufen, wird der 23. April als Geburtstag gehandelt. Damals galt in England der julianische Kalender, nach dem heutigen gregorianischen Kalender wäre der Geburtstag Anfang Mai. Im Laufe seines Lebens trat Shakespeare als Schauspieler auf, schrieb Theaterstücke und Sonette, schaffte es mit Anteilen an Theatern wie dem Londoner Globe zu Wohlstand.

Mit seiner Frau Anne Hathaway (ja, sie hatte den gleichen Namen wie die heutige US-Schauspielerin) bekam er drei Kinder und wurde bereits zu Lebzeiten bekannt. Dass viele seiner Werke erhalten blieben, dürfte auch daran liegen, dass Freunde nach seinem Tod eine Textsammlung veröffentlichten, das sogenannte Folio von 1623.

War Shakespeare wirklich so gut?

Ohne diese Veröffentlichung wären viele Werke womöglich verloren. Hat Shakespeare also von den Umständen profitiert? Oder war er tatsächlich so talentiert? Für Scott stimmt beides: «Ja, er war wirklich so gut. Aber ja, es gab auch Umstände, die ihn so bekannt gemacht haben.» Vor allem im 18. Jahrhundert hätten seine Werke Auftrieb bekommen, dann sei er auch im britischen Empire und in den Kolonien verbreitet worden. Es sei natürlich problematisch, wie ikonische Figuren zu solchen Zwecken genutzt worden seien.

Shakespeare gehört bis heute zu den literarischen Helden Englands. In der Londoner Traditionsbuchhandlung Hatchards zum Beispiel sind ihm gleich drei Regale gewidmet. In der Westminister Abbey wird an ihn erinnert. «Macbeth», «Romeo und Julia», «Verlorene Liebesmüh», «Der Kaufmann von Venedig» und «Hamlet» (mit der bekannten Zeile «Etwas ist faul im Staate Dänemark») sind einige seiner Werke.

«Shakespeare ist mehr denn je der führende Dramatiker auf deutschen Bühnen», sagt Detlev Baur, Chefredakteur des Magazins «Deutschen Bühne», das vom Deutschen Bühnenverein herausgegeben wird. Das liege statistisch gesehen auch daran, dass er mit so vielen Stücken im Kanon vertreten sei. «Bei einem allgemeinen Rückgang der Klassiker verzeichnen seine Stücke weniger starke Einbrüche als etwa der ehemalige deutsche Klassiker, Goethes «Faust».» Die Statistik zeige dabei eine Verschiebung hin zu seinen Komödien.

«Geben Sie zu: Wir haben das alle erlebt.»

Für Wissenschaftlerin Emma Smith hat Shakespeare heute eine paradoxe Rolle. «Auf der einen Seite wird seine Arbeit verehrt: zitiert, aufgeführt, bewertet, subventioniert, parodiert. Shakespeare!», schreibt sie im Buch «This is Shakespeare». Auf der anderen Seite – sie erwähnt Gähnen, Augenrollen und die Angst, intellektuell zu versagen – könne Shakespeare sich wie eine Verpflichtung anfühlen. Müdigkeit hervorrufen, wenn man abends um halb zehn im Theater sitze und es noch eine Stunde dauere. «Geben Sie zu: Wir haben das alle erlebt.»

Smith findet, man müsse nicht jedes Wort entschlüsseln können, sondern könne sich mit den Themen seiner Texte beschäftigen. Ruhm, Freundschaft, Geld, Sex, Politik, Freude, Leid – viele Themen, inklusive der Kunst selbst. «Lesen, nachdenken, hinterfragen, interpretieren, spielen – das wirklich ist Shakespeare.»

Ähnlich sieht es Scott. Shakespeare werde nur selten Fragen beantworten, sondern stattdessen weitere Fragen stellen. «Und was er von Ihnen als Publikum oder als Leser möchte, ist, dass Sie nachdenken.» Für sie ist das etwas, was man heute noch von ihm lernen kann. Auch, dass er am Dialog interessiert gewesen sei, am Aufbrechen von Gegensätzen, am spielerischen Umgang mit Sprache, die beweglich bleibe und es einem ermögliche, eigene Gefühlslandschaften zu erkunden.

Das Hinterfragen von Machtstrukturen

Das Stück, das bei ihr unaufhörlich nachhalle, sei «Macbeth», sagt Scott und zitiert die ersten Zeilen, in denen sich drei Hexen treffen. «When shall we three meet again? In thunder, lightning, or in rain? – When the hurly-burly’s done, when the battle’s lost and won.» («Wann treffen wir drei uns das nächste Mal? Bei Regen, Donner, Wetterstrahl? – Wenn der Wirrwarr ist zerronnen, Schlacht verloren und gewonnen.») Ein Stück, das sich mit dem Streben nach Macht und den fatalen Folgen davon auseinandersetzt.

Shakespeare habe sich mit Tyrannen beschäftigt; habe Fragen gestellt zum Recht eines Landes, andere zu unterdrücken oder zu überfallen. Fragen, die man sich auch zu Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine stellen kann.

«Shakespeare ist fasziniert von Macht. Wer hat sie? Wer hat das Recht darauf? Wer ist verantwortlich für Macht? Und was bedeutet es, Macht zu wollen und darüber zu verfügen?», sagt Scott. Das bleibe in allen Bereichen der Gesellschaft relevant. Ob man hierarchische und politische Strukturen betrachte, Familien, Partnerschaften oder Geschwisterbeziehungen. Themen, mit denen jeder in seinem Leben konfrontiert sein wird. Auch mehrere Jahrhunderte nach Shakespeares Tod im Jahr 1616.

Von Julia Kilian, dpa

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